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Wismut Uranbergarbeiter-Kohortenstudie

Bergarbeiter unter Tage beim Bohren im Wasser stehend Wismutarbeiter unter TageBergarbeiter unter Tage beim Bohren im Wasser stehend

Die Wismut-Studie ist eine der weltweit größten Kohortenstudien beruflich radonbelasteter Bergarbeiter. Sie umfasst knapp 59.000 männliche Beschäftigte, die im Uranbergbau in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) zwischen 1946 und 1990 tätig waren. Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) führt diese Studie seit den 1990er Jahren durch mit dem Ziel, die gesundheitlichen Folgen der beruflichen Strahlen- und Staubbelastung wissenschaftlich aufzuarbeiten. Aufgrund ihres Umfangs, des langen Beobachtungszeitraums und der Fülle vorhandener Informationen ist die Studie einzigartig. Sie ermöglicht die Bearbeitung vieler verschiedener Fragestellungen. Die bisherigen Ergebnisse wurden in zahlreichen Publikationen veröffentlicht.

Die WismutEinklappen / Ausklappen

Der Bergbau hat in Sachsen und Thüringen eine jahrhundertealte Tradition. Im südlichen Erzgebirge wurden neben Silber, Kobalt und Wismut auch Kupfer, Nickel und Zinn abgebaut. Nach dem Zweiten Weltkrieg kamen in großem Umfang der Abbau und die Verarbeitung von Uranerz hinzu. Dies geschah zunächst auf Befehl der sowjetischen Militär-Administration, die das Uran für ihr Atombombenprogramm benötigte. Die gesamte Operation erfolgte anfangs unter strenger Geheimhaltung.

Betreiber des Abbaus war eine sowjetische Aktiengesellschaft mit dem Decknamen "Wismut", später die "Sowjetisch-Deutsche Aktiengesellschaft (SDAG) Wismut". Insgesamt wurden für die Sowjetunion 216.350 Tonnen Uran produziert. Die DDR war damit bis 1990 einer der größten Uran-Produzenten der Welt. Zwischen 1946 und 1990 waren etwa eine halbe Million Personen im sächsisch-thüringischen Uranbergbau beschäftigt. Nach der Wiedervereinigung stellte die Wismut den intensiven Uranerz-Abbau ein.

ArbeitsbedingungenEinklappen / Ausklappen

Bildcollage: Bergarbeiter unter Tage Wismutarbeiter unter Tagevon links: Strahlungsmessung bei Bohrarbeiten; Sprühanlagen zur Staubbekämpfung bei Ladearbeiten; mechanisierte Bohrarbeiten.

In den ersten Jahren des Uranbergbaus gab es noch keine wirksamen Strahlenschutz-Vorschriften. Zu den schweren körperlichen Arbeitsbedingungen unter Tage und der Belastung durch Erz- und Gesteinsstäube kam damals eine hohe Strahlenexposition, vor allem durch das radioaktive Edelgas Radon und seine Folgeprodukte. Zeitlich lassen sich die Arbeitsbedingungen bei der Wismut in drei Perioden einteilen:

"Die wilden Jahre" (1946 bis 1954)
  • viele Bergleute (circa 100.000),
  • hohe Strahlenexposition,
  • kein etablierter Strahlen- und Arbeitsschutz,
  • Trockenbohrungen mit hoher Staubbelastung,
  • keine Radonmessungen,
  • natürliche Bewetterung der Gruben.
Übergangsperiode (1955 bis 1970)
  • 30.000 bis 40.000 Bergleute,
  • breites Expositionsspektrum (sowohl niedrige als auch hohe Strahlenexposition),
  • beginnender Strahlen- und Arbeitsschutz,
  • Nassbohrungen,
  • Messung von Radon in der Umgebungsluft,
  • künstliche Belüftung durch Hauptgrubenlüfter.
Konsolidierungsperiode (1971 bis 1989)
  • konstante Anzahl von circa 20.000 Bergleuten,
  • niedrige Strahlenexposition,
  • internationale Strahlenschutzstandards,
  • individuelle Strahlenschutzüberwachung,
  • Messung von Radon und seinen Folgeprodukten in der Umgebungsluft
  • künstliche Wetterführung.

Gesundheitliche FolgenEinklappen / Ausklappen

Die schweren Arbeitsbedingungen und die hohe Strahlenexposition insbesondere in den Anfangsjahren führten zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen.

Im Zeitraum bis 1990 wurden ca. 5.500 Lungenkrebserkrankungen und ca. 14.500 Silikose-Erkrankungen (Quarzstaublunge) bei Wismut-Beschäftigten als Berufskrankheit anerkannt (Otten und Friedrich 2023). Nach der Wiedervereinigung wurden bis 2021 rund 4.300 Erkrankungen durch ionisierende Strahlung von der gesetzlichen Unfallversicherung als Berufskrankheit anerkannt (Otten und Friedrich 2023).

Die Aufarbeitung der gesundheitlichen Folgen einer Beschäftigung bei der Wismut ist eine zentrale Aufgabe des Strahlenschutzes in Deutschland. Dadurch lassen sich auch mögliche zukünftige Risiken durch Strahlenexpositionen abschätzen und neue Erkenntnisse für den Arbeits- sowie Strahlenschutz ableiten.

KohortenstudieEinklappen / Ausklappen

Das BfS führt seit den 1990er Jahren die deutsche Uranbergarbeiterstudie im Auftrag des Bundesumweltministeriums durch. Dafür hat das BfS in Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) nach wissenschaftlichen Kriterien eine Zufallsstichprobe von ca. 59.000 männlichen ehemaligen Wismut-Beschäftigten zusammengestellt, die in die Kohortenstudie aufgenommen wurden.

Für jede Person in der Kohorte wurde in einem aufwändigen Prozess auf der Basis von Arbeitsunterlagen geschätzt, wie hoch die Strahlen- und Staubexposition war, der sie während ihrer Tätigkeit bei der Wismut ausgesetzt war. Dabei wurde festgestellt, wann und wie lange sie welche Tätigkeit an welchem Arbeitsort ausgeübt hat. Daraus wurden für jedes Beschäftigungsjahr individuelle Expositionswerte mittels einer Job-Exposure-Matrix (JEM) für verschiedene Risikofaktoren berechnet. Die wichtigsten Risikofaktoren sind Radon und seine Folgeprodukte sowie Quarzfeinstaub. Darüber hinaus wurden individuelle Expositionswerte für langlebige Radionuklide aus dem Uranstaub sowie für Arsenstaub und Gammastrahlung, die von außen auf den Körper einwirkte, ermittelt.

Außerdem wird für die Personen der Kohorte regelmäßig ermittelt, ob sie verstorben sind. Bei den Verstorbenen wird versucht, die Todesursache herauszufinden. Diese Recherche (das sogenannte "Follow-up") wird alle fünf Jahre zu einem bestimmten Stichtag über Meldebehörden und Gesundheitsämter durchgeführt.

Aktuell sind folgende Follow-up-Recherchen abgeschlossen:

Das sechste Follow-up mit Stichtag 31.12.2023 wird ab Ende 2023 im Rahmen eines Ressortforschungsvorhabens durchgeführt.

Anhand der Daten aus der Kohortenstudie kann das Risiko bzw. die Wahrscheinlichkeit, an einer bestimmten Krankheit zu sterben, das mit der beruflichen Strahlen- und Staubbelastung verbunden ist, berechnet werden. Für Lungenkrebserkrankungen wurde ein Zusammenhang mit der Radonexposition auch durch Bergarbeiterstudien in anderen Ländern nachgewiesen.

Eine Reihe wichtiger Fragen konnte in diesen Studien jedoch nicht befriedigend beantwortet werden Hierzu zählen unter anderem folgende Fragen: Gibt es auch ein gesundheitliches Risiko bei niedrigen Expositionen, und wenn ja, in welcher Höhe? Wie wirken Radon, Staub und Arsen zusammen? Ist Radon auch an der Entstehung anderer bösartiger Erkrankungen (z. B. Krebserkrankungen im Nasen-Rachen-Raum oder Leukämie) beteiligt, oder an anderen Erkrankungen, die nicht zu den Krebserkrankungen gehören?

Internationale KooperationenEinklappen / Ausklappen

Aktuell werden zwei weltweite Pooling-Projekte ("PUMA" – Pooled Uranium Miners Analysis und "iPAUW" – International Pooled Analysis of Uranium Processing Workers) durchgeführt, bei denen die Daten von Uranbergarbeiter- und Uranaufbereiter-Kohortenstudien zusammengeführt und gemeinsam ausgewertet werden. In dieser Studie werden Daten von fast 120.000 Uranbergarbeitern und fast 5.000 Uranbergarbeiterinnen aus sieben Kohortenstudien aus fünf Ländern (Deutschland, Frankreich, Kanada, Tschechien, USA) untersucht. Insgesamt fließen über 4,5 Millionen Beobachtungsjahre (Summe der Jahre unter Beobachtung für alle Kohortenmitglieder) in die Studie ein. Zur PUMA-Studie wurden bisher eine umfassende Beschreibung (Rage et al. 2020) und ein Vergleich der Sterblichkeit von Uranbergarbeitern mit der Allgemeinbevölkerung (Richardson et al. 2021) sowie Ergebnisse zu den Risikoanalysen durch Radon (Richardson et al. 2022, Kelly-Reif et al. 2023) veröffentlicht.

Ergebnisse der Kohortenstudie

LungenkrebsEinklappen / Ausklappen

Die Lungenkrebssterblichkeit bei Wismut-Beschäftigten, die unter Tage arbeiteten, ist 2,4 Mal höher als in der Allgemeinbevölkerung (Kreuzer et al. 2021). Bis 2018 starben insgesamt 4.329 Personen der Kohorte an Lungenkrebs, etwa 43 Prozent davon sind rein rechnerisch auf die berufliche Radonexposition zurückzuführen (Kreuzer et al. 2023). Bei den meisten dieser Todesfälle handelt es sich um Personen, die in den Anfangsjahren der Bergbautätigkeit sehr hohen Radonexpositionen ausgesetzt waren. Derzeit kommen immer noch neue Lungenkrebsfälle hinzu.

Bei Bergarbeitern wird die Einheit Working Level Month (WLM) für die Radonexposition verwendet. Die individuellen Radonexpositionen einzelner Beschäftigter in der Kohorte bewegen sich zwischen 0 WLM (etwa 8.000 Personen) und 3.224 WLM, bei durchschnittlich 280 WLM. In der Wismut-Kohorte steigt das Risiko für die Sterblichkeit an Lungenkrebs mit zunehmender Radonexposition proportional an (Kreuzer et al. 2023). Bei einer Radonexposition von 1.100 WLM ergab sich eine Verdopplung des Lungenkrebsrisikos im Vergleich zu Personen ohne Radonexposition. Dieser radonbedingte Risikoanstieg hängt jedoch zusätzlich von weiteren Faktoren ab wie der Zeit seit Exposition, dem Alter bei Exposition und der Expositionsrate. Das Pooling-Projekt PUMA zeigte einen ähnlich starken Anstieg des Lungenkrebsrisikos mit der Radonexposition und bestätigte die Abhängigkeit des Risikos von den genannten weiteren Faktoren.

Das Lungenkrebsrisiko durch Radon sinkt deutlich, je länger die Exposition zurückliegt und zwar um etwa 60 Prozent alle zehn Jahre. Aber auch 35 Jahre nach der beruflichen Radon-Belastung ist das Lungenkrebsrisiko noch erhöht. Auch das Alter bei Exposition spielt eine Rolle: Bei jüngeren Beschäftigten erhöht eine vergleichbar hohe Radonexposition das Lungenkrebsrisiko stärker als bei älteren Beschäftigten. So ist der Anstieg des Lungenkrebsrisikos pro WLM 5 bis 14 Jahre nach Exposition und bei den unter 55-Jährigen am höchsten. Zudem ergibt sich ein höheres Risiko, wenn die Exposition über einen längeren Zeitraum verteilt ist, als wenn sie in einem kürzeren Zeitraum erfolgt.

Eine weitere Auswertung des Lungenkrebsrisikos durch Radon in der Wismut-Kohorte konzentrierte sich auf den Niedrigdosisbereich. Die betrachtete Teilkohorte umfasst Beschäftigte, die erst anfingen bei der Wismut zu arbeiten, nachdem die Radonkonzentrationen durch verschiedene Maßnahmen deutlich reduziert worden waren. Die mittlere kumulative Radonexposition liegt bei dieser Personengruppe bei 17 WLM. Auch hier zeigte sich ein statistisch signifikanter Zusammenhang zwischen Lungenkrebssterblichkeit und kumulativer Radonexposition (Kreuzer et al. 2023). Das Lungenkrebsrisiko durch Radon hängt im Niedrigdosisbereich von der Zeit seit der Exposition, dem Alter bei Exposition und dem Rauchverhalten ab. Die Lungenkrebsrisiken durch Rauchen und Radon addieren sich nicht nur, sondern verstärken sich wechselseitig. Das heißt, wenn beide Risikofaktoren zusammenkommen, steigt das Lungenkrebsrisiko besonders stark.

Diese Erkenntnisse sind relevant für die Berechnung von Lebenszeitrisiken und Zusammenhangswahrscheinlichkeiten. Die Lebenszeitrisiken für Lungenkrebs pro WLM, die auf Basis der Wismut-Studie berechnet wurden, bewegen sich zwischen 3 und 7 × 10-4 ((Kreuzer et al. 2023). Das bedeutet, dass es bei 100 Personen mit einer kumulativen beruflichen Radonexposition von 100 WLM im Laufe des Lebens zu 3 bis 7 zusätzlichen Todesfällen durch Lungenkrebs aufgrund dieser Exposition kommt. Letztere Zusammenhangswahrscheinlichkeiten spielen in Verfahren zur Anerkennung von Berufskrankheiten eine wichtige Rolle. Als Hilfsmittel hierfür wurde im Auftrag des BfS das Programm ProZES entwickelt. Es berechnet die Wahrscheinlichkeit, dass eine Erkrankung durch eine vorangegangene beruflich bedingte Strahlenexposition ausgelöst wurde. Für das Lungenkrebsrisiko durch Radon wurden in ProZES die Ergebnisse aus der Wismut-Studie verwendet.

Neben der beruflichen Radonexposition als Risikofaktor für Lungenkrebssterblichkeit wurde zusätzlich die berufliche Quarzfeinstaubexposition untersucht (Sogl et al. 2012). Als Expositionseinheit wurden Staubjahre (mg/m3-Jahre) verwendet, wobei ein Staubjahr definiert ist als 1 mg/m3 Quarzfeinstaub über 220 Arbeitsschichten à 8 Stunden. Die Gesamt-Quarzfeinstaubexposition der Kohortenmitglieder liegt zwischen 0 und 56 Staubjahren. Auch für Quarzfeinstaub wurde eine statistisch signifikante Zunahme des Lungenkrebsrisikos mit der Höhe der Staubexposition festgestellt. Berücksichtigt man bei der Analyse die zusätzlichen Risikofaktoren Radon und Arsen, ist bis zu einer Staubexposition von 10 Staubjahren keine statistisch signifikante Erhöhung des Lungenkrebsrisikos zu beobachten. Ab einer Gesamt-Quarzfeinstaubexposition von 10 Staubjahren steigt das Risiko linear um 6,1 Prozent je Staubjahr. Die Effekte von Radon und Quarzfeinstaub scheinen sich eher zu addieren als zu multiplizieren.

LeukämieEinklappen / Ausklappen

Leukämie ist eine der bekanntesten Spätfolgen einer Strahlenexposition. Die Abschätzung des Leukämierisikos infolge einer Strahlenexposition basierte lange Zeit fast nur auf der Studie an den Atombombenüberlebenden von Hiroshima und Nagasaki. Diese Personen waren im Wesentlichen einmalig einer hohen Dosis locker-ionisierender Strahlung ausgesetzt. Die Ergebnisse einer Studie an Nukleararbeitern (INWORKS-Studie) zeigten ein erhöhtes Leukämierisiko ebenfalls bei Personen mit einer lang andauernden relativ niedrigen Strahlenexposition (Leuraud et al. 2015). Auch hier wurde der Einfluss von locker-ionisierender Strahlung untersucht.

Die Strahlenexposition der Wismut-Bergarbeiter resultiert vor allem aus der Exposition durch Radon und seine Folgeprodukte, die beim Einatmen zu einer inneren Strahlenexposition führen. Die Dosis geht überwiegend auf Alphastrahlung zurück, die beim Zerfall der radioaktiven Folgeprodukte entsteht (dicht-ionisierende Strahlung). Die Bergarbeiter waren aber auch einer äußeren Strahlenexposition, insbesondere durch externe Gammastrahlung, ausgesetzt (locker-ionisierende Strahlung). Mit einem Durchschnittswert von knapp 50 Millisievert liegt diese äußere Strahlenexposition der jemals exponierten Wismut-Bergarbeiter im Unterschied zur Radonexposition insgesamt im Niedrigdosisbereich.

Die Wismut-Studie bietet daher die Möglichkeit, den Einfluss lang andauernder Strahlenexpositionen auf das Leukämierisiko zu untersuchen und zwar sowohl den Einfluss von locker-ionisierender Strahlung (wie bei den Atombombenüberlebenden und den Nukleararbeitern) als auch den Einfluss von dicht-ionisierender Strahlung. Zum Einfluss dicht-ionisierender Strahlung, wie sie bei Exposition durch Radon und seine Folgeprodukte auftritt, gibt es bisher kaum Befunde.

Zur Untersuchung des Leukämierisikos in der Wismut-Kohorte (Kreuzer et al. 2017) wurde die Dosis für das rote Knochenmark abgeschätzt und zwar sowohl die Dosis, die sich aus locker-ionisierender Strahlung ergibt, als auch die Dosis, die aus dicht-ionisierender Strahlung resultiert. Befunde aus mehreren epidemiologischen Studien legen nahe, dass sich das strahlenbedingte Risiko für chronisch lymphatische Leukämie (CLL) vom strahlenbedingten Risiko anderer Arten von Leukämieerkrankungen deutlich unterscheidet. Daher wurde das Risiko für chronisch lymphatische Leukämie (CLL) getrennt ausgewertet.

Das Sterberisiko für Leukämie (ohne CLL) steigt in der Wismut-Kohorte sowohl mit der Dosis durch locker-ionisierende als auch mit der Dosis durch dicht-ionisierende Strahlung an, allerdings ist dieser Anstieg nicht signifikant. Betrachtet man einzelne Arten von Leukämie-Erkrankungen, zeigt sich ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Dosis durch locker-ionisierende Strahlung und chronisch myeloischer Leukämie (CML). Ebenso zeigt sich ein Zusammenhang zwischen der Dosis durch dicht-ionisierende Strahlung und dem Auftreten von chronischer und akuter myeloischer Leukämie insgesamt. Zwischen der Strahlenexposition und dem Risiko, an chronischer lymphatischer Leukämie zu sterben, zeigt sich kein Zusammenhang - weder für die Dosis durch locker-ionisierende Strahlung noch für die Dosis durch dicht-ionisierende Strahlung.

Interessanterweise zeigte sich auch in der genannten Studie zum Krebsrisiko von Nukleararbeitern (INWORKS-Studie) für chronisch myeloische Leukämie die deutlichste Risikoerhöhung in Abhängigkeit von locker-ionisierender Strahlung.

In der Wismut-Studie steigt das Leukämie-Risiko bedeutend stärker an mit der Dosis durch dicht-ionisierende Strahlung, die überwiegend auf Radon und seine Folgeprodukte zurückgeht, als mit der Dosis durch locker-ionisierende Strahlung. Ob sich dies auch in anderen Studien beobachten lässt, bleibt abzuwarten.

Andere Krebserkrankungen als LungenkrebsEinklappen / Ausklappen

Die höchste Strahlendosis durch Radon erhält die Lunge, in etwas geringerem Umfang ist der Hals-Nasen-Rachenraum betroffen. Nur ein sehr kleiner Teil des Radons und seiner Folgeprodukte gelangt in das Blut und damit in andere Organe. Daher ist – wenn überhaupt – mit einer relativ geringen Risikoerhöhung für Krebserkrankungen außerhalb des Atemtraktes zu rechnen. Um ein geringes vorhandenes Risiko statistisch signifikant nachweisen zu können, benötigt man große Beobachtungsstudien an Personen mit hoher Radonexposition. Bisher veröffentlichte Bergarbeiterstudien ergaben keine Hinweise auf ein erhöhtes Risiko für Krebserkrankungen außerhalb der Lunge durch Radon. Diese Studien waren aber vom Umfang her zu klein, um stabile Aussagen hierzu ableiten zu können. Der Wismut-Studie kommt deshalb auch bei der Klärung dieser Frage eine große Bedeutung zu.

Die bisherigen Auswertungen zur Wismut-Kohorte zeigten zwar für die Mehrzahl der untersuchten Orte außerhalb der Lunge, an denen Tumoren entstehen können, einen Anstieg des Risikos mit zunehmender Radonexposition. Doch nach Berücksichtigung der zusätzlichen Belastung durch Staub, externe Gammastrahlung und langlebige Radionuklide war keine der Erhöhungen mehr statistisch signifikant (Kreuzer et al. 2008, Walsh et al. 2010). Einzig für die Gruppe der Tumoren der oberen Atemwege (Mund, Nase, Rachen, Kehlkopf und Luftröhre) zeigte sich im Beobachtungszeitraum 1946-2003 (177 Sterbefälle) ein statistisch signifikanter Zusammenhang (Kreuzer et al. 2010). Nach Erweiterung des Beobachtungszeitraums bis 2008 (234 Sterbefälle) war zwar nach wie vor eine Risikoerhöhung zu finden, diese war aber nicht mehr statistisch signifikant (Kreuzer et al. 2014).

Generell zeigte sich kein signifikanter Zusammenhang zwischen der jeweils relevanten Organdosis durch Strahlung (getrennt nach Alpha- und Nicht-Alphastrahlung) und der Sterblichkeit durch Magenkrebs (n=592) (Kreuzer et al. 2012), Leberkrebs (n=159) (Dufey et al. 2013), oder Nierenkrebs (n=174) (Drubay et al. 2014). Das Gleiche gilt für die Exposition durch Quarzfeinstaub bzw. Arsenstaub.

Herz-Kreislauf-ErkrankungenEinklappen / Ausklappen

Bisher ging man davon aus, dass die Schäden durch ionisierende Strahlung hauptsächlich das Krebsrisiko betreffen. Inzwischen gibt es jedoch vermehrt Hinweise auf ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen auch im Niedrigdosisbereich – zum Beispiel aus der Studie an den Atombombenüberlebenden von Hiroshima und Nagasaki.

Wenige und uneinheitliche Befunde liegen aus Bergarbeiterstudien hierzu vor. Deshalb wurde in der Wismut-Kohorte auch das Risiko, an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung zu sterben, in Abhängigkeit von der aufgenommenen Dosis durch externe Gammastrahlung untersucht. Dabei wurde der Beobachtungszeitraum bis Ende 2008 berücksichtigt (siehe Kreuzer et al. 2013). Für die jemals exponierten Bergleute beträgt die absorbierte Dosis im Mittel 47 Millisievert bei einem Maximalwert von 909 Millisievert.

Insgesamt traten 9.039 Todesfälle infolge von Herz-Kreislauf-Erkrankungen bis Ende 2008 auf. Hier wurde kein statistisch signifikanter Zusammenhang gefunden: Weder für alle Herz-Kreislauf-Erkrankungen zusammengenommen noch für die Untergruppe der ischämischen Herzerkrankungen (durch Durchblutungsstörungen hervorgerufene Herzerkrankungen, 4.613 Todesfälle) wurde eine Risikozunahme mit der Gesamtdosis durch externe Gammastrahlung gefunden. In der Gruppe der an Schlaganfall Verstorbenen (2.073 Todesfälle) wurde zwar eine Erhöhung des Risikos um 44 Prozent pro Sievert beobachtet, diese war allerdings statistisch nicht signifikant.

Silikosen und andere nicht-bösartige AtemwegserkrankungenEinklappen / Ausklappen

Von 975 Personen der Kohorte ist bekannt, dass sie zwischen 1946 und 2008 an Silikose verstorben sind. Die Sterblichkeit an Silikose steigt mit der kumulativen Quarzfeinstaubexposition sehr stark an (Kreuzer et al, 2013, Kreuzer et al. 2021). Bei einer Belastung von über 30 Staubjahren ist sie im Vergleich zu einer Belastung von weniger als 2 Staubjahren 90-fach erhöht. Für andere untersuchte nicht-bösartige Atemwegserkrankungen, einschließlich der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD), zeigte sich kein Zusammenhang mit der Quarzfeinstaub- oder Radonexposition.

Ausblick

Aktuell werden die Risiken für andere Erkrankungen als Lungenkrebs durch Radon sowie für Erkrankungen durch Quarzfeinstaub in der Wismut-Kohorte mit den Daten des Beobachtungszeitraums 1946 - 2018 untersucht. Außerdem wird erforscht, wie robust die Risiken für Lungenkrebs durch Radon bei Berücksichtigung möglicher Unsicherheiten in der Berechnung der Radonexposition sind. Dazu wurde eine Methode speziell für die Daten der Wismut-Kohorte entwickelt, mit der Expositionsunsicherheiten bei der Risikoschätzung berücksichtigt werden können (Ellenbach et al. 2023).

Die Wismut-Kohorte ist auch Teil zweier weltweiter Poolingprojekte ("PUMA" – Pooled Uranium Miners Analysis, Rage et al. 2020, Richardson et al. 2021; Richardson et al. 2022, Kelly-Reif et al. 2023) und "iPAUW" - International Pooled Analysis of Uranium Processing Workers) mit zahlreichen Uranbergarbeiter- und Uranaufbereiter-Kohortenstudien aus verschiedenen Ländern (Deutschland, Frankreich, Kanada, Tschechien, UK und USA). Auch am europäischen Radon-Forschungsprojekt RadoNorm ist die Wismut-Kohorte beteiligt.

Geplant ist auch die Auswertung der Daten zu den Frauen in der Wismut-Kohorte. Da von diesen nur sehr wenige unter Tage gearbeitet haben und damit strahlenexponiert waren, wurden sie bei den bisherigen Analysen nicht berücksichtigt.

Darüber hinaus werden derzeit Lebenszeitrisiken für Krebserkrankungen basierend auf Ergebnissen der Wismut-Kohortenstudie systematisch untersucht und Methoden zur Berücksichtigung von Unsicherheiten bei der Berechnung der Lebenszeitrisiken entwickelt. Das Lebenszeitrisiko spielt zum Beispiel eine zentrale Rolle dabei, wie man die Exposition durch Radon umrechnen kann in eine effektive Dosis, die die Wirkung der Strahlung auf den Körper beschreibt.

Fazit

Die Zusammenhänge zwischen verschiedenen beruflichen Expositionen im Uranbergbau und gesundheitlichen Risiken werden anhand der deutschen Uranbergarbeiterstudie untersucht. Dadurch lassen sich neue Erkenntnisse für den Strahlenschutz und den Arbeitsschutz gewinnen und die wissenschaftlichen Grundlagen für die Anerkennung von Berufskrankheiten erweitern.

Sowohl die berufliche Radon- als auch die Quarzfeinstaubexposition führen bei den Wismut-Beschäftigten zu einer deutlichen Erhöhung des Lungenkrebsrisikos, auch im Niedrigdosisbereich. Der radonbedingte Risikoanstieg hängt zusätzlich ab von Faktoren wie der Zeit seit Exposition, dem Alter bei Exposition und der Expositionsrate. Die Lungenkrebsrisiken durch Rauchen und Radon addieren sich nicht nur, sondern verstärken sich wechselseitig. Das heißt, das gemeinsame Vorliegen der beiden Risikofaktoren erhöht das Lungenkrebsrisiko besonders stark. Auch das Risiko, an einer Leukämie zu sterben, steigt mit der Strahlenexposition an, dieser Anstieg ist jedoch nicht signifikant. Für einzelne Leukämie-Subtypen ergeben sich signifikante Zusammenhänge. Des Weiteren zeigt sich ein sehr starker Anstieg der Sterblichkeit an Silikose mit zunehmender Belastung durch Quarzfeinstaub.

Hinsichtlich der anderen untersuchten Todesursachen wurden bisher keine statistisch signifikanten Risikoerhöhungen beobachtet. Mit zunehmendem Beobachtungszeitraum ist mit wertvollen Erkenntnissen auch für Erkrankungen zu rechnen, die in der Kohorte eher selten auftreten.

Stand: 11.12.2023

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