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Abschätzung der Verursachungswahrscheinlichkeit von Krebserkrankungen durch berufliche Strahlenexposition

Forschungsnehmer: Institut für Strahlenschutz, Helmholtz Zentrum München
Beginn des 1. Projekts: 01.11.2009
Ende des 3. Projekts: 25.02.2021

Hintergrund

Der weit verbreitete Einsatz von Strahlung und Radioaktivität in Medizin, Industrie, Wissenschaft und militärischen Anwendungen führt zu unvermeidlichen beruflichen Expositionen des beteiligten Personals. Tritt eine Krebserkrankung bei einem Menschen auf diesen Gruppen auf, müssen unter Umständen Berufsgenossenschaften und gegebenenfalls Gutachter und Sozialgerichte in Verfahren zur Anerkennung von Berufskrankheiten entscheiden, ob ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Erkrankung und der vorherigen beruflichen Strahlenbelastung besteht.

Im Einzelfall lässt sich aber ionisierende, also sehr energiereiche Strahlung als Ursache einer konkreten Krebserkrankung nicht direkt nachweisen. Mittels statistischer Methoden ist es jedoch möglich, abzuschätzen, wie wahrscheinlich es ist, dass die Erkrankung durch die vorangegangene Strahlenexposition verursacht worden ist. Hierfür betreute das BfS im Auftrag des Bundesumweltministeriums drei aufeinanderfolgende Forschungsvorhaben. Ausgeführt wurden sie vom Institut für Strahlenschutz des Helmholtz Zentrums München. Die Entwicklung des Computerprogramms ProZES wurde begleitet von einer Arbeitsgruppe der Strahlenschutzkommission (SSK) und einer internationalen Expertengruppe.

Zielsetzung

Ziel des Projektes war es, ein Computerprogramm zu entwickeln, das die Wahrscheinlichkeit abschätzt, dass eine Krebserkrankung durch eine vorangegangene berufliche Strahlenexposition verursacht worden ist. Zudem sollten bei dieser Abschätzung Unsicherheiten des Vorgehens berücksichtigt und ein entsprechendes Unsicherheitsintervall bestimmt werden. Letztendlich soll dieses Werkzeug ein konsistentes Vorgehen auf aktuellem wissenschaftlichem Stand bei Verfahren zur Anerkennung von Berufskrankheiten unterstützen und die Transparenz bei diesen Verfahren erhöhen.

Methodik und Durchführung

Die Risikomodelle zur Entstehung von Krebs durch Strahlenexposition sind ein zentraler Teil von ProZES zur Berechnung der Wahrscheinlichkeit der Verursachung. Die meisten dieser Modelle wurden für ProZES neu entwickelt oder an Daten aus großen strahlenepidemiologischen Kohorten neu evaluiert. Für externe Strahlenexposition beruhen die Modelle hauptsächlich auf den Inzidenzdaten der Studie zu den Atombombenüberlebenden von Hiroshima und Nagasaki, die die weltweit größte Studie zu strahleninduziertem Krebs darstellt. Für Belastung durch Radon wurden separate Modelle für Lungenkrebs nach Exposition im Bergbau und nach Exposition in Innenräumen implementiert. ProZES enthält spezialisierte Risikomodelle der häufigsten strahleninduzierten soliden Krebsarten, wie für Krebs von Lunge, weiblicher Brust, Darm, Magen und Schilddrüse, sowie für verschiedene Arten von Leukämien. Die Risikomodelle für die weiteren Krebsarten wurden für Gruppen von funktionell verwandten Krebsarten entwickelt.

Die Berechnung der Verursachungswahrscheinlichkeit ist mit einer Reihe von methodischen Herausforderungen verbunden. Zum Beispiel müssen Risiken von der japanischen Bevölkerung auf die aktuelle deutsche Bevölkerung übertragen werden. Die Methode der Multi-ModellInferenz wurde eingesetzt, um verschiedene Dosis- und Altersabhängigkeiten gleichermaßen zu berücksichtigen und die von der Modellauswahl stammenden Unsicherheiten zu quantifizieren. Mit Monte-Carlo-Methoden werden verschiedene Quellen von Unsicherheiten abgeschätzt.

ProZES wurde als Windows-Programm mit graphischer Oberfläche in Deutsch und Englisch entwickelt.

Ergebnis

Nach einer Testphase und der Evaluation durch das BfS und die SSK kann die aktuelle ProZES-Version für Gutachten nach beruflicher Strahlenexposition verwendet werden. Sie ist als kostenloser Download zusammen mit einer Dokumentation und einem Tutorial auf der BfS-Webseite verfügbar (www.bfs.de/prozes).

Ausblick

Seit Projektabschluss wird das Computerprogramm ProZES am BfS betreut. Das BfS unterstützt die Anwendenden, steht in intensivem Austausch mit den Stakeholdern, aktualisiert ProZES laufend und entwickelt es nach neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen weiter.

Publikationen

Abschlussbericht Teil 1: Quantitative Abschätzung des Strahlenrisikos unter Beachtung individueller Expositionsszenarien - Vorhaben 3607S04570

Abschlussbericht Teil 2: Quantitative Abschätzung des Strahlenrisikos unter Beachtung individueller Expositionsszenarien, ProZES: a tool for assessment of assigned share of radiation in probability of cancer development (Part II) - Vorhaben 3612S70030

Abschlussbericht Teil 3: Erweiterung und Aktualisierung von ProZES (Programm zur Berechnung der Zusammenhangswahrscheinlichkeit zwischen einer Erkrankung und einer Strahlenexposition - Vorhaben 3618S72230

Ulanowski, A., et al.: ProZES: the methodology and software tool for assessment of assigned share of radiation in probability of cancer occurrence In: Radiation and Environmental Biophysics volume 59, S. 601–629 (2020)

Schnelzer, M., et al.: ProZES – Neue Software zu Strahlenexposition und Krebs. In: ASU (Arbeitsmedizin, Sozialmedizin, Umweltmedizin), Ausgabe 07-2021

Stand: 29.06.2023

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