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Sind erhöhte Radon-Konzentrationen in der Schwangerschaft gefährlich für das ungeborene Kind?

  • Ionisierende Strahlung kann während der Schwangerschaft die Gesundheit die Gesundheit des ungeborenen Kindes schädigen. Belegt ist dies aber nur für Exposition durch externe Strahlung und für relative hohe Strahlendosen. Radonexposition führt zu einer internen Strahlenexposition, die sich in ihrer Auswirkung auf den Körper von externer Strahlenexposition deutlich unterscheidet.
  • Selbst bei sehr hohen Radonkonzentrationen ist die Dosis für das ungeborene Kind nach dem aktuellen Stand der Forschung sehr gering.
  • Aussagekräftige epidemiologische Studien oder Tierstudien zu dem Thema sind jedoch nicht bekannt. Forschende des BfS arbeiten in einem EU-Forschungsprojekt mit, das zum Ziel hat die Unsicherheiten in der Abschätzung der Dosis für das ungeborene Kind zu reduzieren.
  • Auch wenn man die bestehenden Unsicherheiten berücksichtig, ist davon auszugehen, dass Radon in Wohnungen oder an Arbeitsplätzen in Innenräumen zu keinen relevanten schädigenden Wirkungen für das ungeborene Kind führt.

Radonexposition führt nicht nur zu einer Strahlendosis für die Lunge, sondern auch für andere Organe und während einer Schwangerschaft auch für den Embryo bzw. den Fötus. Allerdings sind diese Strahlendosen deutlich niedriger als die Strahlendosis für die Lunge.

Aus Tierstudien und epidemiologischen Studien gibt es Belege dafür, dass ionisierende Strahlung teratogen wirkt, also während der Schwangerschaft die Gesundheit des ungeborenen Kindes schädigen kann. Diese Studien beziehen sich meist auf relativ hoch dosierte externe Gamma-Strahlung oder Röntgenstrahlung, die sich in ihrer Auswirkung in vielerlei Hinsicht von interner Exposition durch Alpha-Strahlung, die bei Radonexposition relevant für die Dosis ist, unterscheidet. Daher stellt sich die Frage, inwiefern damit zu rechnen ist, dass Radonexposition in Wohnungen oder an Arbeitsplätzen während der Schwangerschaft negative Auswirkungen auf die Gesundheit des ungeborenen Kindes hat.

Hier werden relevante Befunde zum Radonrisiko für den Embryo bzw. Fötus aus epidemiologischen und biologischen Studien sowie Erkenntnisse aus der Dosimetrie knapp zusammengestellt sowie bestehende Unsicherheiten kurz erläutert.

Dosis für den Embryo / Fötus

Neben Befunden aus epidemiologischen oder experimentellen Studien stellen dosimetrische Abschätzungen eine Möglichkeit dar, das Gefährdungspotential für das ungeborene Kind zu beurteilen. Die aktuellsten Abschätzungen hierzu liefern (Kendall & Smith (2002)). Sie schätzen die Strahlendosis über ein Modell, das Annahmen zur Verteilung der Radonfolgeprodukte im Körper enthält. Hinsichtlich Radongas gehen sie davon aus, dass die Dosis des Fötus durch Radongas der des mütterlichen Muskels entspricht. Mit den Annahmen von Kendall & Smith (2002) lässt sich die Strahlendosis für den Fötus für verschiedene Radonkonzentrationen abschätzen.

Berechnungen zur Dosis für das ungeborene Kind

In der Tabelle "Berechnungen zur Dosis für das ungeborene Kind" sind die Ergebnisse entsprechender Berechnungen aufgeführt

  • für eine Aufenthaltsdauer der werdenden Mutter von 24 Stunden pro Tag während der gesamten Schwangerschaft und
  • für eine Aufenthaltsdauer von acht Stunden pro Arbeitstag während der gesamten Schwangerschaft.

Dabei wird von einem für Innenräume typischen Gleichgewichtsfaktor von 0,4 ausgegangen. Kendall & Smith (2002) haben die Dosen für zwei verschiedene sogenannte Absorptionstypen berechnet. Diese Absorptionstypen beziehen sich darauf, welcher Anteil der Radonfolgeprodukte aus der Lunge in das Blut übergeht, was zu unterschiedlich hohen Dosen außerhalb der Lunge führt. Damit ergibt sich eine Spannbreite für die Dosisabschätzungen.

Berechnungen zur Dosis für das ungeborene Kind1

1 Die Dosisberechnungen sind in Abhängigkeit von der Radonaktivitätskonzentration und der Aufenthaltsdauer nach Kendall & Smith (2002). Dabei wird von einem Gleichgewichtsfaktor von 0,4 und einem Anteil angelagerter Folgeprodukte von 90 % ausgegangen. Für Arbeitsplätze und Wohnungen werden unterschiedliche Atemraten angenommen.

2 Vom Absorptionstyp hängt ab, welcher Anteil der Folgeprodukte aus der Lunge in das Blut übergeht.

Aufenthaltsdauer24 Stunden/Tag über 40 Wochen8 Stunden/Arbeitstag über 40 Wochen
Absorptionstyp2FMFM
Dosis für das ungeborene Kind bei 300 Bq/m³0,150 mSv0,075 mSv0,044 mSv0,023 mSv
Radonaktivitäts-konzentration, die zu einer Dosis von 1 mSv führt ~ 2.000 Bq/m³~ 4.000 Bq/m³~ 6.900 Bq/m³~13.300 Bq/m³

Zum Vergleich: In Deutschland beträgt der Jahresmittelwert der Radonkonzentration in Aufenthaltsräumen durchschnittlich etwa 50 Bq/m³. Nur in 0,14 % der Aufenthaltsräume im Erdgeschoss von Ein- und Zweifamilienhäusern liegt die Radonkonzentration über 1.000 Bq/m³ (Bundesamt für Strahlenschutz 2019).

Epidemiologische Studien zu RadonexpositionEinklappen / Ausklappen

Während der Zusammenhang zwischen Lungenkrebsrisiko und Radonexposition in zahlreichen epidemiologischen Studien an Bergarbeitern sowie an radonexponierten Personen der Allgemeinbevölkerung untersucht wurde (WHO-Handbuch 2009), gibt es - soweit feststellbar - keine belastbaren Befunde aus epidemiologischen Studien zu der Frage, ob Radonexposition zu Gesundheitsschäden beim ungeborenen Kind führt.

Lediglich eine wenig aussagekräftige explorative ökologische Studie (Langlois et al. 2015) ist bekannt. In dieser wurde der Zusammenhang zwischen durchschnittlichen regionalen Radonkonzentrationen in Texas und 101 verschiedenen Arten von Fehlbildungen untersucht. Es zeigte sich nach Adjustierung für ethnische Herkunft, Alter und Bildung der Mutter für neun Arten von Fehlbildungen ein statistisch signifikanter Zusammenhang. Dabei handelt es sich nur teilweise um Fehlbildungen, für die aus der Literatur bekannt ist, dass sie auch nach Strahlenexposition auftreten.

Die Vermutung liegt nahe, dass das Ergebnis durch multiples Testen zu erklären ist. Confounding durch Risikofaktoren für Fehlbildungen, die mit der durchschnittlichen regionalen Radonkonzentration korrelieren, und in der Studie nicht berücksichtigt sind, ist ebenfalls nicht auszuschließen.

Biologische und molekular-epidemiologische StudienEinklappen / Ausklappen

Biologische Studien zu Radonexposition in utero sind kaum vorhanden. Eine wenig standardisierte Tierstudie befasste sich mit in utero-Radonexposition von Mäusen. Diese Studie vergleicht genetische Veränderungen bei Mäusen, die als Neugeborene exponiert worden sind, mit genetischen Veränderungen bei in utero exponierten Mäusen. Es wurden stärkere Effekte in neugeborenen Radon-exponierten Mäusen im Vergleich zu in utero exponierten gefunden, woraus die Autoren eine protektive Funktion der Plazenta gegen Radonexposition ableiten (Foschi et al. 2016).

Zudem gibt es noch eine molekular-epidemiologische Studie, in der an ca. 1000 Probanden der Effekt von Radon auf epigenetische Veränderungen der DNA in Nabelschnurblut untersucht wurde. Nach Radonexposition in utero zeigen sich Veränderungen in der DNA-Methylierung von CpG-Inseln zum Zeitpunkt der Geburt. CpG-Inseln sind bestimmte Abschnitte der DNA, die besonders reich an Cytosin und Guanin sind. Zu eventuellen gesundheitlichen Auswirkungen dieser Veränderungen machen die Autoren keine Angaben (de Vocht et al. 2019).

Dosis-Wirkungsbeziehung bei Exposition durch externe Gamma-StrahlungEinklappen / Ausklappen

Während über die Auswirkungen von Alpha-Strahlung auf das ungeborene Kind keine relevanten Befunde aus epidemiologischen oder experimentellen Studien vorliegen, gibt es entsprechende Befunde zu den Auswirkungen von externer Gamma-Strahlung oder Röntgenstrahlung. Diese können zur Einordnung der Dosisabschätzungen herangezogen werden, die in der in der Tabelle "Berechnungen zur Dosis für das ungeborene Kind" aufgeführt sind.

Die Befunde stammen aus Tierstudien und epidemiologischen Studien (vor allem den Studien zu den Überlebenden der Atombombenabwürfe in Japan und Studien nach medizinischer Exposition). Sie sprechen dafür, dass für die meisten Arten von Schädigungen (intrauteriner Tod, Fehlbildungen, Fehlentwicklung des zentralen Nervensystems mit schwerer geistiger Retardierung) Dosis-Schwellen von mindestens 50 mSv existieren (z. B. ICRP 2003; UNSCEAR 1986).

Bei den Auswirkungen auf die Intelligenzentwicklung und das Krebsrisiko nimmt man keine Schwellendosis an. Dabei wird hinsichtlich der Intelligenz von einer Abnahme des Intelligenzquotienten von etwa 25 Punkten pro 1000 mSv ausgegangen (z. B. ICRP 2003). Hinsichtlich des Krebsrisikos gibt es Belege aus epidemiologischen Studien für eine Erhöhung des Risikos nach Exposition in utero bei Strahlendosen in der Größenordnung von 10 mSv (Wakeford & Little 2003). Eine Risikoerhöhung bei niedrigeren Strahlendosen ist nicht auszuschließen, wäre aber bei den in der obigen Tabelle aufgeführten Strahlendosen extrem klein.

Generell legt ein Vergleich der Befunde aus Studien zu externer Strahlung mit den in obiger Tabelle aufgeführten Strahlendosen nahe, dass von Radonkonzentrationen, wie sie in deutschen Wohnungen oder an Arbeitsplätzen in Innenräumen auftreten, keine negativen Auswirkungen für das ungeborene Kind zu erwarten sind. So betragen diese Strahlendosen selbst bei Radonkonzentrationen, die deutlich höher sind als die Radonkonzentrationen, die in Innenräumen vorkommen, nur ein Fünfzigstel der Strahlendosen, ab denen selbst bei konservativen Annahmen mit dem Auftreten von Fehlbildungen gerechnet wird. Auch mit einer feststellbaren Erhöhung des Krebsrisikos oder Verringerung der Intelligenz ist nicht zu rechnen.

Unsicherheiten und ForschungsansätzeEinklappen / Ausklappen

Hinsichtlich der Übertragbarkeit von Erkenntnissen zur Dosis-Wirkungsbeziehung, die auf Studien mit Exposition durch externe Gamma-Strahlung oder Röntgenstrahlung beruhen, auf die Auswirkungen von Radonexposition besteht eine gewisse Unsicherheit. Bei Gamma-Strahlung oder Röntgenstrahlung handelt es sich um sogenannte locker ionisierende Strahlung. Diese hat im Vergleich zu Alpha- oder Betastrahlung eine große Reichweite und kann deshalb einzelne Organe und den gesamten Körper durchdringen. Dabei deponiert höherenergetische Gamma- oder Röntgenstrahlung bei jeder Wechselwirkung mit der Materie in der Regel nur einen kleinen Teil ihrer Energie. Es kann daher vereinfachend angenommen werden, dass die Energie homogen, also gleichmäßig, im Gewebe deponiert wird.

Bei Radonexposition handelt es sich um sogenannte dicht ionisierende Strahlung. Alpha-Strahlung hat im Gewebe nur eine sehr kurze Reichweite und die gesamte Energie wird beim Zerfall eines Radionuklids lokal am Ort des Zerfalls deponiert. Die Dosis kann daher innerhalb eines Gewebes abhängig vom Ablagerungsmuster der Radionuklide im Gewebe sehr ungleichmäßig verteilt sein. Außerdem unterscheidet sich die Exposition in den genannten Studien von Radonexposition in Innenräumen noch durch ihre Verteilung über die Zeit.

Während in den Studien die Strahlenexposition meist aus in kurzer Zeit verabreichten relativ hohen Strahlendosen bestand, sind bei Radonexposition in Innenräumen kontinuierlich einwirkende niedrige Strahlendosen relevant. Zurzeit ist nicht genau bekannt, wie groß die Unsicherheit ist, die aus diesen Unterschieden resultiert. Es ist jedoch sehr unwahrscheinlich, dass sich die gesundheitlichen Auswirkungen von Strahlendosen nach Radonexposition von den gesundheitlichen Auswirkungen von Strahlendosen nach externer Strahlung, so stark unterscheiden, dass bei den nach aktuellem Kenntnisstand sehr kleinen Dosen für den Fötus gesundheitliche Schädigungen zu erwarten sind.

Allerdings beruht das Modell von Kendall & Smith (2002), das zur Berechnung der Dosis für den Fötus benutzt wurde, auf relativ wenigen Daten und die Abschätzungen stellen insgesamt relativ grobe Annäherungen dar. Daher wird in dem EU-Projekt RadoNorm zurzeit am BfS ein umfassendes dosimetrisches Modell für den Embryo und den Fötus entwickelt. Mit diesem Modell wird eine genauere Abschätzung der Dosis durch Radonexposition möglich sein, so dass die bestehenden Unsicherheiten reduziert werden.

Fazit

Aussagekräftige epidemiologische Studien oder Tierstudien, auf deren Basis das Risiko für Gesundheitsschäden des ungeborenen Kindes durch Radonexposition während der Schwangerschaft abgeschätzt werden könnte, sind nicht bekannt. Auf Basis von dosimetrischen Modellen sind nach bisherigem Kenntnisstand keine negativen gesundheitlichen Auswirkungen durch Radonexposition in Innenräumen während der Schwangerschaft zu erwarten.

Da die Datenlage zu dem Thema beschränkt ist, bestehen Unsicherheiten. Das dosimetrische Wissen zu Radon ist insgesamt jedoch bereits jetzt so fundiert, dass auch unter Berücksichtigung dieser Unsicherheiten mit großer Sicherheit davon auszugehen ist, dass keine relevanten schädigenden Wirkungen für das ungeborene Kind zu erwarten sind.

Literatur

de Vocht F, Suderman M, Ruano-Ravina A, Thomas R, Wakeford R, Relton C, Tilling K, Boyd A. (2019). Residential exposure to radon and DNA methylation across the lifecourse: an exploratory study in the ALSPAC birth cohort. Wellcome Open Res 2019, 4: 3.

Foschi C, Orta ML, Radicchi L, Szpunar G, Cristaldi M. Genotoxic effects in mice exposed to radon emissions in indoor conditions. Comparison between in utero and neonatal exposures. Journal of Life Science 2016, 10: 66-76

International Commission on Radiological Protection. ICRP Publication 90. Biological effects after prenatal irradiation (embryo and fetus). Ann. ICRP 2003, 33, 1–2.

Kendall GM, Smith TJ. Doses to organs and tissues from radon and its decay products Journal of Radiological Protection 2002, 22(4): 389-406.

Langlois PH, M. Lee M, Lupo PJ, Rahbar MH, Cortez RK. Residential radon and birth defects: A population-based assessment. Birth Defects Res A Clin Mol Teratol 2016, 106(1): 5-15.

UNSCEAR 1986 Report. Genetic and somatic effects of ionizing radiation, Annex C: Biological effects of pre-natal irradiation. https://www.unscear.org/docs/publications/1986/UNSCEAR_1986_Annex-C.pdf.

Wakeford R., Little MP. Risk coefficients for childhood cancer after intrauterine irradiation: a review. Int J Radiat Biol 2003, 79(5): 293-309

World Health Organization. WHO handbook on indoor radon: a public health perspective. 2009

Stand: 20.09.2022

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