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Sind erhöhte Radon-Konzentrationen für Kinder besonders gefährlich?

  • Für Exposition gegenüber externer Strahlungz. B. durch Röntgen – ist belegt, dass Kinder strahlenempfindlicher sind als Erwachsene. Radon führt jedoch zu einer internen Strahlenexposition, die sich in ihrer Auswirkung auf den Körper von externer Strahlenexposition deutlich unterscheidet.
  • Bei gleicher Radonexposition gibt es nach den vorhandenen Erkenntnissen keine wesentlichen Unterschiede in den Organdosen zwischen Kindern verschiedener Altersstufen und Erwachsenen.
  • Die Ergebnisse von Studien zum Zusammenhang zwischen Radon und Leukämie bei Kindern sind uneinheitlich, sprechen aber insgesamt dagegen, dass Radon in Wohnungen einen bedeutsamen Risikofaktor für Leukämie bei Kindern darstellt.
  • Es gibt auch keine belastbaren Hinweise darauf, dass Kinder hinsichtlich der Entstehung von radonbedingtem Lungenkrebs empfindlicher sind als Erwachsene. Die Datenlage ist für eine eingehende Bewertung des Lungenkrebsrisikos durch Radonexposition speziell in der Kindheit jedoch nicht ausreichend.
  • Da sich die schädlichen Wirkungen von Radon über die Lebenszeit aufsummieren können und in Anbetracht des relativ großen Zeitanteils, den Kinder im Allgemeinen zuhause verbringen, ist es in Haushalten mit Kindern besonders wichtig, erhöhte Radonkonzentrationen zu reduzieren.

Bei langandauerndem Aufenthalt in Räumen mit erhöhten Radonkonzentrationen steigt nachgewiesenermaßen das Lungenkrebsrisiko (WHO-Handbuch 2009). Bekannt ist auch, dass Kinder hinsichtlich einer Reihe von Krebsarten strahlenempfindlicher sind als Erwachsene, zumindest bei von außen einwirkender ionisierender Strahlung (UNSCEAR 2013). Unklar ist, ob dies auch für Radon gilt, das vor allem nach dem Einatmen ein Gesundheitsrisiko darstellt. Daher stellen sich zwei Fragen zum Gesundheitsrisiko durch Radon für Kinder:

  1. Erhöht Radonexposition in der Kindheit das Lungenkrebsrisiko stärker als im Erwachsenenalter?
  2. Erhöht Radonexposition in Innenräumen bei Kindern das Risiko für Krebsarten, für die bei Erwachsenen bisher keine Risikoerhöhung nachgewiesen ist? Hier stehen die Krebsarten, die den höchsten Anteil an Krebserkrankungen im Kindesalter haben, im Fokus. Dies sind Leukämie, Hirntumoren und Lymphome.

Gesichertes Wissen zum Gesundheitsrisiko durch Radon speziell für Kinder gibt es bisher eher wenig. Die Strahlendosis durch Radon scheint sich zwischen Kindern und Erwachsenen nicht bedeutsam zu unterscheiden. Es gibt jedoch gewisse Unsicherheiten bei der Berechnung der Strahlendosis durch Radon. Die wenigen biologischen Studien, die speziell die Wirkung von Radon in Wohnungen bei Kindern untersuchen, finden zwar schwache Hinweise auf Unterschiede in der biologischen Wirkung zwischen Kindern und Erwachsenen, dabei ist jedoch unklar, ob diese Unterschiede gesundheitsrelevant sind. Auch epidemiologische Studien liefern keine eindeutigen Hinweise auf ein höheres Krebsrisiko durch Radon bei Kindern im Vergleich zu Erwachsenen.

In aktuellen Forschungsprojekten wird die Radon-Dosimetrie für Kinder verschiedenen Alters weiterentwickelt und mit epidemiologischen Studien der Zusammenhang zu Leukämie bzw. ZNS-Tumoren bei Kindern genauer untersucht. Im Folgenden wird auf dosimetrische Aspekte, Erkenntnisse aus biologischen und epidemiologischen Studien und aktuelle Forschungsansätze genauer eingegangen.

Dosis für Kinder

Zunächst stellt sich die Frage, ob die gleiche Radonkonzentration bei Kindern zu einer anderen Strahlendosis führt als für Erwachsene. Wäre die Dosis für Kinder höher, müsste auch mit einem höheren Risiko gerechnet werden. Kendall & Smith (2005) schätzen die Strahlendosis durch Radon für verschiedene Altersstufen über ein Modell, das Annahmen darüber enthält, wie sich die Radionuklide im Körper verteilen. Sie berechnen Strahlendosen für verschiedene Organe für das einjährige Kind, das zehnjährige Kind und Erwachsene.

Berechnungen für Kinder und Erwachsene

Die Tabelle "Berechnungen zur Dosis für Kinder und Erwachsene" zeigt auf Kendall & Smith (2005) basierende Berechnungen für die jährliche Strahlendosis für

  • das rote Knochenmark
  • das Gehirn
  • die Lunge

umgerechnet für eine Radonaktivitätskonzentration von 50 Bq/m³ - das entspricht in etwa dem Durchschnitt in deutschen Wohnungen.

Berechnungen zur jährlichen Dosis für Kinder und Erwachsene in mSv1

1Berechnungen nach Kendall & Smith (2005) für die jährliche Dosis durch Radongas und Folgeprodukte für eine Radonaktivitätskonzentration von 50 Bq/m³. Dabei wird von einem Gleichgewichtsfaktor von 0,4 und einem Anteil angelagerter Folgeprodukte von 90 % ausgegangen.

2Vom Absorptionstyp hängt ab, welcher Anteil der Folgeprodukte aus der Lunge in das Blut übergeht. Damit ergibt sich eine Spannbreite für die Dosisabschätzungen.

Rotes KnochenmarkGehirnLunge
Absorptionstyp2FMFMFM
1 Jahr0,21 0,080,100,029,841,8
10 Jahre0,260,160,070,0210,645,3
Erwachsene0,230,170,050,029,340,1

Diese Berechnungen zeigen, dass sich die Organdosen durch Radonexposition nicht wesentlich zwischen Kindern und Erwachsenen unterscheiden. Zwischen den Organen gibt es beträchtliche Unterschiede, die jedoch nicht vom Alter abhängen: Die Organdosen für das rote Knochenmark und das Gehirn sind bei allen Altersgruppen sehr niedrig, die Organdosis für die Lunge ist bei allen Altersgruppen deutlich höher.

Auch der wissenschaftliche Ausschuss der Vereinten Nationen zur Untersuchung der Auswirkungen von atomarer Strahlung (UNSCEAR 2013) zieht in seiner umfassenden Bewertung des strahlenbedingten Krebsrisikos für Kinder den Schluss, dass die Dosis durch Radon für alle Altersgruppen bei gleicher Exposition ähnlich ist. In seiner Bewertung zum Lungenkrebsrisiko durch Radonexposition (UNSCEAR 2020) geht er ebenfalls davon aus, dass die Dosis für die Lunge relativ unabhängig vom Alter bei Exposition ist.

Unsicherheiten bezüglich der StrahlendosisEinklappen / Ausklappen

An der Berechnung der Dosis für das rote Knochenmark, gibt es gewisse Zweifel (Laurent et al. 2013, Little et al. 2009, Wakeford et al. 2009). Zum einen sind die zugrunde liegenden Annahmen über die Verteilung der zerfallenden Radionuklide und der sensitiven Zellen im roten Knochenmark mit relativ großer Unsicherheit behaftet. Zum anderen gibt es Hinweise darauf, dass der Strahlungswichtungsfaktor, der für die Umrechnung der Energiedosis durch Alpha-Strahlung in die Organdosis verwendet wird, zu hoch ist (z. B. Harrison 2010). Dies würde dazu führen, dass die Berechnungen von Kendall & Smith (2005) die tatsächlichen Dosen für das rote Knochenmark überschätzen.

Andere Autoren (Harley & Robbins, 2009) nehmen hingegen an, dass die Dosis, die für die Entstehung von akuter lymphatischer Leukämie bei Kindern relevant ist, deutlich größer sein könnte als die Dosis für das rote Knochenmark, die üblicherweise als die hierfür relevante Dosis betrachtet wird. Diese Annahme ist jedoch umstritten (Kendall et al. 2009, Harrison 2010, Wakeford 2013).

Biologische und molekular-epidemiologische StudienEinklappen / Ausklappen

Es gibt nur sehr wenige biologische Studien, in denen die Auswirkung von Radonexposition in Wohnungen zwischen Kindern und Erwachsenen verglichen wird. Auf Basis von Studien mit Probanden im Alter zwischen 6 und 80 Jahren kann als gesichert angesehen werden, dass auch niedrige in Wohnungen auftretende Radonexpositionen zu Veränderungen im Erbgut, also im genetischen Material von Zellen, führen (genotoxische Wirkung). Dazu zählen sowohl Sequenzveränderungen in der DNA (Mutationen) als auch Strukturveränderungen am Zellkern und an Chromosomen. Derartige Veränderungen sind das Resultat fehlerhafter Reparaturprozesse nach DNA-Schädigung. Alterseffekte wurden hierbei jedoch nicht beschrieben (Oestreicher et al. 2004, Linhares et al. 2018, Bauchinger et al. 1994, Hellmann et al. 1994).

In einer Studie, die ausschließlich an Kindern durchgeführt wurde, wurde eine erhöhte Anzahl an Mikrokernen (Fragmente des Zellkerns aufgrund von Teilungsfehlern) in Lymphozyten von Kindern der Altersgruppe 7 bis 18 Jahre nach chronischer Exposition gefunden (Sinitsky & Druzhinin, 2014). In Folgestudien wurden im selben Kollektiv Mutationen in Genen festgestellt, die für Reparaturvorgänge in der DNA wichtig sind (Sinitsky et al. 2015; Larionov et al. 2016).

Ebenso legt eine Studie an Mäusen eine Altersabhängigkeit der genotoxischen Wirkung nahe. Neugeborene Mäuse zeigten im Vergleich zu in utero (vor der Geburt) exponierten bzw. erwachsenen Mäusen vermehrte Schädigungen (Foschi et al. 2016). Diese Befunde wurden aber bis jetzt nicht in weiteren Studien bestätigt. Zudem ist nicht geklärt, ob die beschriebenen Veränderungen in den Zellen gesundheitliche Auswirkungen haben.

Neben genotoxischen Effekten beschreiben erste Studien auch epigenetische Effekte und Veränderungen der Genexpression bei unterschiedlichen Radonkonzentrationen in den Wohnungen. Unter epigenetischen Veränderungen versteht man Modifikationen an der DNA, wie z. B. chemische Veränderungen an DNA-Bausteinen oder an DNA-bindenden Proteinen, die funktionelle Auswirkungen auf die Genexpression haben. Eine Studie zeigte unterschiedliche epigenetische Veränderungen bei Kindern im Vergleich zu Jugendlichen in Abhängigkeit von der Radonexposition. Bei den Müttern der Kinder wurden hingegen keine signifikanten Effekte festgestellt (de Vocht et al. 2019). Diese Ergebnisse legen altersabhängige Unterschiede in der epigenetischen Modifikation der DNA durch Radon nahe. Unklar ist jedoch, ob diese epigenetischen Modifikationen potentielle biologische Funktionsveränderungen verursachen.

Epidemiologische Studien zu LeukämieEinklappen / Ausklappen

Nach Exposition gegenüber externer Strahlung wurden bei Kindern Erhöhungen des Leukämierisikos in relativ niedrigen Dosisbereichen beobachtet, in denen bei Erwachsenen noch keine Risikoerhöhung feststellbar ist. Sollte Radonexposition in Wohnungen das Leukämierisiko erhöhen, wäre eine Erhöhung des Risikos daher vermutlich am ehesten bei Kindern beobachtbar.

Es gibt eine ganze Reihe von epidemiologischen Studien, die den Zusammenhang zwischen Radonexposition in der Wohnung und Leukämie bei Kindern untersuchen. In einigen dieser Studien wurde ein statistisch signifikanter positiver Zusammenhang gefunden. Dazu zählen ökologische Studien, die die Inzidenzrate für Leukämien im Kindesalter in einem Gebiet in Bezug setzen zum Mittelwert der Radonmessungen in Wohnungen in diesem Gebiet (siehe Überblicksarbeiten von Laurier et al. 2001, Raaschou-Nielsen 2008, Tong et al. 2012). Die Aussagekraft dieser Art von Studien ist stark eingeschränkt (siehe z. B. Laurier et al. 2001).

Eine sehr kleine ägyptische Fall-Kontroll-Studie mit 50 Fällen und 110 Kontrollen fand ebenfalls statistisch signifikant erhöhte Risiken und zwar bei Radonkonzentrationen über 40 Bq/m³ (Maged et al. 2000). Dieses Ergebnis scheint insgesamt wenig plausibel. Auch in einer deutlich größeren norwegischen Fall-Kontroll-Studie (Raaschou-Nielsen et al., 2008) wurde ein statistisch signifikanter Anstieg des Risikos für akute lymphatische Leukämie (ALL) bei Kindern mit der kumulativen Radonexposition beobachtet.

Daneben gibt es Studien, die einen positiven, aber nicht statistisch signifikanten Zusammenhang zwischen Radon in Wohnungen und dem Leukämierisiko im Kindesalter finden. Hier stellt sich die Frage, ob die statistische Power dieser Studien ausgereicht hätte, um ein kleines Risiko zu entdecken. Da die Dosis für das rote Knochenmark selbst bei hohen Radonkonzentrationen nach aktuellem Kenntnisstand sehr gering ist, ist – wenn überhaupt – nur mit einem geringen zusätzlichen Leukämierisiko durch Radon in Wohnungen bei Kindern zu rechnen. Bei den Studien, die zwar einen positiven aber nicht signifikanten Zusammenhang beobachten, ist daher unklar, ob dieses Ergebnis am Zufall oder an mangelnder statistischer Power liegt.

Zu nennen sind hier die Studien von Kendall et al. (2013) und von Nikkilä et al. (2020). In beiden Studien wurden die Radonkonzentrationen modelliert, was im Vergleich zu Studien mit Messungen die Unsicherheit der Expositionsbestimmung vergrößert. Dafür ist keine aktive Teilnahme der Familien von Fällen und Kontrollen notwendig, so dass unterschiedliche Teilnahmebereitschaft keine Rolle spielt. Diese wäre problematisch, da sie zu systematischen Unterschieden in den Radonkonzentrationen zwischen Fällen und Kontrollen führen kann, die nicht mit dem Leukämierisiko zusammenhängen. Dies würde zu einer Überschätzung oder Unterschätzung des Risikos führen. Ein entsprechender Effekt wird in einer britischen Fall-Kontroll-Studie (United Kingdom Childhood Cancer Study Investigators 2002) vermutet (Little et al., 2010).

Im Gegensatz dazu gibt es auch einige Studien, die keinen Hinweis auf einen Zusammenhang zwischen Radonexposition und Leukämie in der Kindheit finden. Hierzu zählen neben neueren ökologischen Studien (Berlivet et al. 2021, Chen et al. 2019, Demoury et al. 2017, Ha et al. 2017) und Fall-Kontroll-Studien (Demoury et al. 2017, United Kingdom Childhood Cancer Study Investigators 2002) auch zwei Kohortenstudien (Del Risco Kollerud et al. 2014, Hauri et al. 2013). Bei diesen Studien stellt sich ebenfalls die Frage, ob methodische Schwächen, wie zum Beispiel ungenaue Expositionsbestimmung, Teilnahmeverzerrung oder nicht berücksichtigtes negatives Confounding (Verzerrung durch Störfaktoren) für eine Unterschätzung des Risikos verantwortlich sein könnten.

Insgesamt liefern die epidemiologischen Studien zu Radonexposition und Leukämie im Kindesalter kein einheitliches Bild. Letztlich ist momentan ungeklärt, ob die beobachteten Risikoerhöhungen zufällig sind bzw. auf einem methodischen Artefakt beruhen oder ob Radonexposition in Wohnungen tatsächlich zu einem sehr kleinen zusätzlichen Risiko für Leukämie im Kindesalter führt. Aufschluss hierüber könnte eine eingehende systematische Untersuchung der vorhandenen Studien hinsichtlich der Auswirkungen von möglichen Verzerrungen auf das Risiko geben.

Epidemiologische Studien zu ZNS-TumorenEinklappen / Ausklappen

In einigen der epidemiologischen Studien zu Leukämie im Kindesalter wurde auch der Zusammenhang zwischen Radonexposition und dem Risiko für ZNS-Tumoren, also Tumoren im Gehirn oder Rückenmark, bei Kindern untersucht (Hauri et al. 2013, Kaletsch 1999, Kendall et al. 2013, Del Risco Kollerud et al. 2014, Raaschou-Nielsen et al. 2008, UKCCS 2002). Zudem wurde kürzlich eine neue ökologische Studie aus Frankreich zu der Fragestellung veröffentlicht (Berlivet et al. 2020). Da die Dosis für das Gehirn deutlich geringer ist als für das rote Knochenmark, ist die statistische Power der Studien bei der Untersuchung dieses Zusammenhangs tendenziell noch geringer als bei der Untersuchung des Zusammenhangs zwischen Radonexposition und Leukämie im Kindesalter. Auch ansonsten gelten für Studien zu ZNS-Tumoren im Kindesalter die gleichen methodischen Probleme wie für Studien zu Leukämie im Kindesalter.

Ein statistisch signifikant erhöhtes Risiko wurde nur in einer der Studien beobachtet und zwar bei Radonkonzentrationen über 70 Bq/m³ im Vergleich zu unter 70 Bq/m³ (90 %-Quantil der Radonkonzentrationen in der Studie) (Kaletsch et al. 1999). Allerdings ist diese Studie sehr klein (41 Fälle und 209 Kontrollen), die durchschnittlichen Radonkonzentrationen waren sehr niedrig (26,4 Bq/m³ bei den Fällen und 28,5 Bq/m³ bei den Kontrollen) und die Teilnahmebereitschaft war sehr gering, insbesondere bei den Kontrollen. Daher liegt die Annahme nahe, dass der Risikoschätzer verzerrt ist und das Risiko in dieser Studie deutlich überschätzt worden ist. In den anderen Studien, deren Studienumfang wesentlich größer war und in denen die Radonkonzentrationen deutlich stärker variierten, wurden – wenn überhaupt - nur sehr schwache Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen Radonexposition und ZNS-Tumoren im Kindesalter gefunden. Insgesamt deuten die Studienergebnisse darauf hin, dass kein relevanter Zusammenhang zwischen Radonexposition und ZNS-Tumoren im Kindesalter besteht (siehe auch Ruano-Ravina et al. 2018).

Epidemiologische Studien zu LymphomenEinklappen / Ausklappen

Der Zusammenhang zwischen Radonexposition und Lymphomen bei Kindern wurde in zwei Fall-Kontroll-Studien mituntersucht (Raaschou-Nielsen et al. 2008, UKCCS 2002). In der Studie von Raaschou-Nielsen et al. (2008) wurde kein Hinweis auf einen Zusammenhang gefunden. In der United Kingdom Childhood Cancer Study (2002) wurde eine nicht signifikante Risikoerhöhung für Non-Hodgkin-Lymphome (NHL) bei Radonkonzentrationen über 200 Bq/m³ beobachtet. Daneben gibt es mehrere ökologische Studien, die Lymphome als eigenen Endpunkt untersuchten (Chen et al. 2019, Ha et al. 2017 und Peckham et al. 2015). Peckham et al. (2015) fanden ein statistisch signifikant erhöhtes Risiko für einen Subtyp von NHL in der höchsten Expositionskategorie und Ha einen statistisch signifikanten Anstieg für das NHL-Risiko mit der Radonkonzentration bei Frauen bzw. Mädchen unter 20 Jahren. Insgesamt gibt es keine konsistenten Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen Radonexposition und Lymphome im Kindesalter.

Epidemiologische Studien zu Lungenkrebs Einklappen / Ausklappen

Trotz der im Vergleich zu anderen Organdosen sehr hohen Lungendosen durch Radonexposition in Wohnungen ist eine direkte Untersuchung des radonbedingten Lungenkrebsrisikos bei Kindern durch epidemiologische Studien sehr schwierig. Lungenkrebs tritt hauptsächlich ab einem Alter von etwa 60 Jahren auf und in der Kindheit fast gar nicht. Die relevante Frage ist daher, ob Radonexposition in der Kindheit das Lungenkrebsrisiko im Erwachsenenalter beeinflusst. Für eine Untersuchung dieser Fragestellung in einer epidemiologischen Studie wäre eine extrem lange Beobachtungszeit notwendig oder die Rekonstruktion von Radonkonzentrationen in Wohnungen, die vor vielen Jahren bis Jahrzehnten bewohnt wurden. Wie zu erwarten existiert daher – soweit feststellbar – keine epidemiologische Studie, die die Auswirkung von Radonexposition in Wohnungen im Kindesalter auf das Lungenkrebsrisiko von Kindern oder das Lungenkrebsrisiko im Erwachsenenalter untersucht.

Informationen zu Unterschieden im Lungenkrebsrisiko durch Radon in Abhängigkeit vom Alter der Personen zum Zeitpunkt der Exposition oder zur Veränderung des Risikos mit zunehmendem zeitlichen Abstand zur Exposition liefern epidemiologische Studien mit Uranbergarbeitern. Diese Studien deuten darauf hin, dass das radonbedingte Lungenkrebsrisiko höher ist bei Personen, die jung exponiert wurden als bei Personen, die älter waren bei Exposition. Es ist aber sowohl unklar, ob dies auch für Kinder gilt, als auch ob dies im Niedrigdosisbereich gilt. Zudem nimmt in den Bergarbeiterstudien, das Lungenkrebsrisiko mit zunehmendem zeitlichen Abstand zur Exposition deutlich ab (z. B. Kreuzer et al. 2018). Sollte dies auch für Radonexposition in Wohnungen und für Kinder gelten, wären Radonexpositionen aus der Kindheit für das Lungenkrebsrisiko im Erwachsenenalter wohl eher wenig relevant.

Der wissenschaftliche Ausschuss der Vereinten Nationen zur Untersuchung der Auswirkungen von atomarer Strahlung (UNSCEAR) stuft das Lungenkrebsrisiko durch ionisierende Strahlung für Kinder generell als geringer ein als für Erwachsene (UNSCEAR 2013). Dabei stützt er sich zum Beispiel auf Ergebnisse der Studie zu den japanischen Atombombenüberlebenden, bei denen das relative Lungenkrebsrisiko mit dem Alter bei Exposition anstieg (Furukawa et al. 2010). Diese Personen waren jedoch hauptsächlich gegenüber externer Strahlung exponiert. Bezüglich des radonbedingten Risikos für Lungenkrebs zieht UNSCEAR im gleichen Bericht den Schluss, dass die vorhandenen Daten darauf hindeuten, dass das Risiko bei Exposition im Erwachsenenalter in etwa so groß sei wie bei Exposition in jüngerem Alter. Der Umfang der Daten sei allerdings sehr begrenzt. In einem 2020 erschienen Bericht zu Radon und Lungenkrebs stellte UNSCEAR schließlich fest, dass der Einfluss von Radonexposition in Kindheit und Jugend auf das Lungenkrebsrisiko zurzeit unklar sei (UNSCEAR 2020).

Laufende Forschungsarbeiten

In dem EU-Projekt RadoNorm, das vom BfS koordiniert wird und das im September 2020 startete, werden unter anderem Risiken durch Radonexposition in der Kindheit untersucht. Zum einen wird in dem Projekt die Radon-Dosimetrie für Kinder verschiedenen Alters weiterentwickelt und es wird generell die Bedeutung der räumlichen Verteilung der Dosis im Körper für das Risiko untersucht.

Zum anderen wird der Zusammenhang zwischen Radon und Leukämie im Kindesalter bzw. ZNS-Tumoren in einem epidemiologischen Teilprojekt von RadoNorm untersucht. Dazu werden bestehende Datensätze aus verschiedenen europäischen Ländern um Informationen zur Exposition ergänzt: In zwei finnischen Fall-Kontroll-Studien werden Messungen der Radonkonzentration in allen Wohnungen der Fälle und Kontrollpersonen durchgeführt, während für zwei französische Fall-Kontroll-Studien das Niveau der Exposition gegenüber natürlicher Hintergrundstrahlung kleinräumig abgeschätzt wird. Zudem werden für eine Kohortenstudie aus der Schweiz neue geographische Expositionsmodelle für Radon in Wohnungen und terrestrische Gammastrahlung entwickelt. Die Daten dieser und anderer bestehender Studien sollen dann gemeinsam ausgewertet werden, wobei auch Analysen für Subtypen von Leukämien und von ZNS-Tumor-Erkrankungen geplant sind. Neben Radonkonzentrationen in Wohnungen werden die Analysen auch Exposition gegenüber natürlicher Gammastrahlung und die kumulative Dosis durch beide Arten von Exposition berücksichtigen.

Zusätzlich zu RadoNorm wird auch die große britische Fall-Kontroll-Studie zu Krebs im Kindesalter und natürlicher Hintergrundstrahlung einschließlich Radon in Wohnungen von Kendall et al. (2013) zurzeit deutlich erweitert, wodurch sich deren Studienumfang in etwa verdoppelt (siehe Kendall et al. 2021).

Fazit

Insgesamt gibt es nach aktuellem Kenntnisstand keine belastbaren wissenschaftlichen Belege dafür, dass Radonexposition in der Kindheit zu einem größeren Gesundheitsrisiko führt als bei Erwachsenen. Aufgrund der eingeschränkten Datenlage, bestehen jedoch Unsicherheiten.

Unabhängig davon, ob Radonexposition in der Kindheit die Gesundheit stärker schädigt als in höherem Alter, ist aber davon auszugehen, dass das Gesundheitsrisiko durch Radon mit der Dauer der Radonexposition ansteigt. Daher ist es wichtig, die Radonexposition möglichst früh im Leben zu verringern. Dies gilt insbesondere auch in Anbetracht des Umstands, dass Kinder im Allgemeinen einen relativ großen Teil ihrer Zeit zu Hause verbringen.

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Stand: 02.12.2021

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