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Bericht zum Workshop: Umwelteffekte elektrischer, magnetischer und elektromagnetischer Felder auf Flora und Fauna

  • Vom 5. bis 7. November 2019 fand in München ein vom BfS organisierter öffentlicher internationaler Workshop zu möglichen Effekten von nieder- und hochfrequenten Feldern auf Pflanzen und Tiere statt.
  • Ziel des Workshops war es, das derzeit vorhandene Wissen über mögliche Wirkungen elektrischer, magnetischer und elektromagnetischer Felder auf die belebte Umwelt, also Tiere und Pflanzen, zusammenzutragen, zu diskutieren und auf Widersprüche und offene Fragen einzugehen.
  • Bisher konnten keine schädlichen Wirkungen auf Tiere und Pflanzen nachgewiesen werden, die durch künstliche elektrische, magnetische und elektromagnetische Felder ausgelöst werden.
  • Es gibt allerdings biophysikalische Mechanismen, die es Tieren und auch Pflanzen erlauben, Magnetfelder und elektrische Felder geringer Stärke wahrzunehmen - hier ist besonders das Erdmagnetfeld zu nennen, das eine Flussdichte von ungefähr 50 µT besitzt.

Vom 5. bis 7. November 2019 fand in München ein vom BfS organisierter internationaler Workshop zu möglichen Effekten von nieder- und hochfrequenten Feldern auf Pflanzen und Tiere statt.

Ziel des Workshops war es, das derzeit vorhandene Wissen über mögliche Wirkungen elektrischer, magnetischer und elektromagnetischer Felder auf die belebte Umwelt, also Tiere und Pflanzen, zusammenzutragen, zu diskutieren und auf Widersprüche und offene Fragen einzugehen. Wegen der neuen Entwicklungen im Bereich der Telekommunikation - Stichwort 5G - und des Ausbaus der Stromnetze im Zuge der Energiewende erfährt die Thematik eine erhöhte Aufmerksamkeit in der öffentlichen Diskussion und in der Forschung.

Der Workshop umfasste 22 Vorträge von eingeladenen internationalen Rednern und Rednerinnen sowie vier Kurzvorträge aus dem Teilnehmerkreis auf Basis der eingereichten Abstracts. Neben möglichen schädlichen Einflüssen von künstlichen elektrischen, magnetischen und elektromagnetischen Feldern auf Tiere und Pflanzen wurde auch allgemein über die Wirkung auf biologische Organismen vorgetragen und diskutiert, sowie über mögliche Mechanismen der Wahrnehmung magnetischer Felder in Tieren und den Einfluss elektrischer und magnetischer Felder auf das Wachstum von Pflanzen.

In den Vorträgen und der Diskussion wurden folgende Themenbereiche behandelt:

Themenbereiche

Exposition und DosimetrieEinklappen / Ausklappen

Unter Exposition ist hier das Einwirken elektromagnetischer Felder auf biologische Organismen zu verstehen. In den ersten Vorträgen wurden die wichtigsten Faktoren erläutert, die zu berücksichtigen sind, einerseits bei der Bestimmung der Exposition von Lebewesen im Freiland und andererseits bei der Festlegung der Expositionsparameter bei Laboruntersuchungen. Es wurde betont, wie wichtig eine exakte Expositionsbestimmung bei allen entsprechenden Untersuchungen ist.

Unter anderem aufgrund der unterschiedlichen biologischen Wirkungsweisen werden die verschiedenen Frequenzbereiche der elektromagnetischen Felder immer getrennt behandelt.

Statische und niederfrequente elektrische und magnetische Felder

Für den Ausbau der Stromnetze sind statische und niederfrequente elektrische und magnetische Felder relevant. Bei Freiland-Untersuchungen zu möglichen Effekten dieser Felder in der Umgebung von Stromleitungen ist zu berücksichtigen, dass der Abstand zu einer Stromleitung allein kein gutes Maß ist für die Intensität des elektrischen und magnetischen Feldes, da deren Ausbreitung komplex ist und von der Auslastung und Anordnung der Leiterseile abhängt.

Die von Stromleitungen ausgehenden Magnetfelder wirken auf Menschen und Tiere indem sie im Körper elektrische Felder und Ströme induzieren. Dieser Prozess hängt von der Körpergröße ab, in kleinen Tieren werden deswegen unter derselben Stromleitung schwächere Körperströme induziert.

Hochfrequente elektromagnetische Felder

Mobilfunksendeanlagen erzeugen hochfrequente elektromagnetische Felder. Deren Feldstärke kann ebenfalls nicht zuverlässig aufgrund der Entfernung abgeschätzt werden. Grundsätzlich sinkt sie zwar mit der Entfernung, aber auch die Hauptstrahlrichtung, die Neigung der Antenne und die Objekte in der Umgebung spielen eine Rolle. Die Wirkung der hochfrequenten elektromagnetischen Felder beruht auf Energieabsorption und Erwärmung. Die Energieabsorption ist abhängig von der Körpergröße, je besser die Körpergröße zum Beispiel der halben Wellenlänge entspricht, umso mehr Energie absorbiert der Körper.

Durch einen belgischen Forscher wurde erläutert, wie die Energieabsorption infolge einer Exposition mit hochfrequenten elektromagnetischen Feldern in dreidimensionalen Modellen von Tieren simuliert werden kann. Er zeigte, dass Insekten bei einer Exposition mit Millimeterwellen, die zukünftig für die neue 5G Technologie verwendet werden sollen, mehr Energie absorbieren werden als bei den aktuell verwendeten niedrigeren Frequenzen. Auch diese höhere Energieabsorption bewegt sich aber im Bereich von einigen Nano-Watt und es ist nicht davon auszugehen, dass Insekten einer zu starken Erwärmung ausgesetzt werden.

Zwischenfrequenzen

Ein weiterer Vortrag befasst sich mit den sogenannten Zwischenfrequenzen, also dem Frequenzbereich zwischen den niederfrequenten und den hochfrequenten Feldern. Diese spielen z.B. für die Elektromobilität eine Rolle. Es konnte gezeigt werden, dass bei zukünftigen Stationen für das induktive Laden von Elektroautos in der Regel auch dann keine gefährlichen Auswirkungen auf Tiere zu befürchten sind, wenn diese während des Ladens in die Lücke zwischen dem Auto und der Induktionsschleife im Boden geraten. Falls die Tiere jedoch metallische Gegenstände, wie z.B. künstliche Gelenke, enthalten, was bei Haustieren vorkommen kann, könnte es zu einer erheblichen Wärmeentwicklung kommen.

Untersuchungen im Freiland

Bei allen Untersuchungen im Freiland ist zu beachten, dass es im Gegensatz zu Laboruntersuchungen nicht möglich ist, standardisierte Versuchsbedingungen einzuhalten. Die Exposition kann abgeschätzt werden, in den meisten Fällen kann man sie aber nicht beeinflussen. Ebenfalls ist eine Verblindung meistens nicht möglich.

WirkungsmechanismenEinklappen / Ausklappen

Gut dokumentiert ist, dass bestimmte Organismen das Erdmagnetfeld wahrnehmen können und sich, wie z.B. Zugvögel, daran orientieren. Es ist nicht auszuschließen, dass diese Wahrnehmung durch vom Menschen erzeugte elektrische und magnetische Felder gestört wird, bzw. dass die Felder auch andere Wirkungen auf Organismen ausüben.

Biophysikalische Mechanismen

Als biophysikalische Mechanismen für die Wirkungen von Magnetfeldern wurden drei Mechanismen diskutiert, zum einen der Radikalpaarmechanismus, weiterhin ein Mechanismus über das Mineral Magnetit (Fe2O3), welches in Tieren und Pflanzen vorkommt sowie die Induktion elektrischer Felder in Organismen (siehe oben).

Der Radikal-Paarmechanismus

Beim Radikal-Paarmechanismus handelt es sich um einen komplizierten Prozess, bei dem Quanteneffekte eine Rolle spielen. Die Grundidee ist, dass durch photoinduzierte Redoxprozesse in der Zelle freie Radikalpaare entstehen, also jeweils zwei Moleküle, in deren äußerer Schale sich jeweils ein ungepaartes Elektron befindet. Diese bilden entweder einen Singlet- oder Triplet-Zustand, welcher dann in unterschiedliche Reaktionsprodukte rekombiniert. Das Verhältnis der beiden so erhaltenen Reaktionsprodukte ist durch externe Magnetfelder beeinflussbar. Als Kandidaten für die entsprechenden Moleküle wurden die Cryptochrome genannt, eine Klasse von Proteinen, die 1993 von der kanadischen Forscherin Margaret Ahmad zuerst in Pflanzen entdeckt wurden. Es handelt sich um Blaulichtrezeptoren, die auch am Zirkadianrhythmus von Tieren beteiligt sind. Physikalisch spielt beim Radikal-Paarmechanismus der Spin - eine in der Quantenmechanik beschriebene Eigenschaft der Teilchen – die entscheidende Rolle, da er an das externe Magnetfeld koppelt.

Das Mineral Magnetit

Das Mineral Magnetit findet sich z.B. bei Zugvögeln konzentriert im Schnabel, ist selbst magnetisch und wechselwirkt daher mit Magnetfeldern. Daher ist es ebenfalls ein möglicher Kandidat für einen biophysikalischen Mechanismen für die Wahrnehmung magnetischer Felder durch Organismen. Zum Beispiel sind einige Bakterien in der Lage, sich entlang des Erdmagnetfeldes auszurichten und zu bewegen. In diesen Bakterien finden sich lange Ketten von Magnetit in darauf spezialisierten Strukturen, den Magnetosomen.

Solche Strukturen wurden bisher in den Zellen von Tieren und Pflanzen nicht entdeckt. Ganz allgemein konnte in Tieren und Pflanzen bisher keine Struktur identifiziert werden, die Magnetit enthält und mit dem Nervensystem bzw. einem Signalsystem verbunden ist. Beim Workshop wurde über die mögliche Entdeckung großer Zellen in Tieren und Menschen berichtet, die Magnetit-Partikel enthalten, die Daten waren allerdings nicht eindeutig. Auf der Zellebene fehlen zudem Moleküle, die mit Magnetit wechselwirken und somit entsprechende Signale weiter verarbeiten könnten.

Der magnetische Kompass von Zugvögeln

Unter Laborbedingungen konnte nachgewiesen werden, dass von Menschen erzeugte elektromagnetische Felder den magnetischen Kompass von Zugvögeln stören können. Die Felder, die durch Stromleitungen oder den Mobilfunk verursacht werden, können diese Effekte allerdings nicht hervorrufen. Die Frequenzen der niederfrequenten Felder der Stromleitungen (16,7 Hertz und 50 Hertz) bzw. der hochfrequenten Felder des Mobilfunks (derzeit von etwa 900 Megahertz bis einige Gigahertz) liegen ausdrücklich nicht in dem Bereich, in dem bei Vögeln ein Einfluss nachgewiesen wurde. In sorgfältig über ein Jahrzehnt hinweg durchgeführten Experimenten zeigte sich, dass elektromagnetische Felder im Frequenzbereich von 400 Kilohertz bis 10 Megahertz den magnetischen Kompass von Zugvögeln, die in der Nacht ihren Flug beginnen, beeinflussen.

Circadianer Rhythmus

Bei Schaben zeigte sich unter Laborbedingungen eine Wirkung elektromagnetischer Felder im Frequenzbereich bis zu 10 MHz auf den circadianen Rhythmus.

Thermischer Stress

Ein weiterer bekannter Mechanismus, der zu biologisch relevanten Effekten führen kann, ist der thermische Stress, der durch hochfrequente elektromagnetische Felder induziert werden kann.

Ein Wissenschaftler berichtete in seinem Vortrag über Ergebnisse, die zeigen, dass hochfrequente elektromagnetische Strahlung Wärmestress in Nagetieren auslösen kann, wenn die Außentemperatur nahe oder über der Körpertemperatur der Nagetiere lag. Es zeigte sich ein interessanter Effekt auf den Metabolismus der Tiere. Bei Außentemperaturen, die unter der Körpertemperatur der Nagetiere lagen, wurde die durch hochfrequente Felder zusätzlich gelieferte Wärmeenergie dazu genutzt den Körper des Tieres zu wärmen, was die Stoffwechselrate der Tiere reduzierte. Eine reduzierte Stoffwechselrate führt zu weniger stoffwechselbedingten Schäden. Eine Verringerung des Stoffwechsels würde demnach zu einer Verringerung solcher Schäden führen und könnte die höhere Lebenserwartung der männlichen Ratten erklären, die in der NTP-Studie elektromagnetischen Feldern ausgesetzt waren. Dies sollte weiter untersucht werden.

Das BfS hat in seiner Stellungnahme zur NTP-Studie festgestellt, dass nicht auszuschließen ist, dass bei den in der Studie verwendeten sehr starken Expositionen die Körpertemperatur der untersuchten Tiere Schwankungen ausgesetzt war, die über den Toleranzbereich der normalen Physiologie hinausgehen. Der Wärmehaushalt von Tieren ist u.a. vom Oberfläche-zu-Volumen-Verhältnis und damit vom Gewicht abhängig. Dies könnte eine mögliche Erklärung sein, warum in der Studie Effekte nur bei den im Vergleich großen und schweren männlichen Ratten und z.B. nicht bei den kleineren weiblichen Ratten oder bei Mäusen gefunden wurden.

Mögliche Auswirkungen statischer und niederfrequenter elektrischer und magnetischer Felder von Hochspannungs-Freileitungen und -Erdkabeln

Eine wichtige Rolle spielt hierbei das Magnetfeld der Erde, das im Laufe der Evolution dazu geführt hat, dass verschiedene Lebewesen schwache statische Magnetfelder wahrnehmen und sich mit deren Hilfe orientieren können. Deswegen ist es möglich, dass Organismen auch statische und niederfrequente Magnetfelder in der Nähe von Stromleitungen und Kabeln wahrnehmen und in ihrem Verhalten darauf reagieren können.

Dieser Themenbereich wurde unterteilt in

  • Wirkungen auf Wirbeltiere
  • Wirkungen auf wirbellose Tiere
  • Wirkungen auf Pflanzen

Wirkungen elektrischer und magnetischer Felder auf Wirbeltiere (Land- und Meerestiere)Einklappen / Ausklappen

Meerestiere

Einige Fischarten, wie Aale und Lachse, ziehen über weite Strecken. Es wurde beobachtet, dass sie beim Überqueren von Seekabeln kurz zögern, eine Barriere bedeutet es für sie aber nicht. Haie und Rochen nehmen Magnetfelder mit speziellen Organen, den Lorenzini-Ampullen, wahr - beruhend auf dem Prinzip der elektromagnetischen Induktion - und nutzen die Magnetfelder bei der Jagd. Auf Felder von Seekabeln reagieren sie ähnlich wie auf Beute, es wurde beobachtet, dass Haie in Seekabel beißen, sie lernen aber schnell, dass es sich nicht um Beute handelt. Die beobachteten Effekte bedeuten für die jeweiligen Tierarten keine Gefahr. Es ist aber zu beachten, dass die Anzahl der Seekabel steigt und zukünftig Begegnungen mit Kabeln und Beeinflussungen des Verhaltens häufiger auftreten werden. Diese Entwicklung muss weiter verfolgt werden.

Vögel

Die Orientierung von Rotkehlchen war unter Laborbedingungen durch künstliche Magnetfelder beeinflussbar. In Feldstudien ließ sich aber bisher keine negative Auswirkung schwacher magnetischer Felder auf die Orientierung von Rotkehlchen nachweisen. Zugvögel orientieren sich nicht nur am Magnetfeld der Erde, sondern nutzen tagsüber auch die Sonne und nachts die Sterne zur Orientierung und merken sich auch Flugrouten. Diese Alternativen können genutzt werden, um Schwierigkeiten bei der Orientierung entlang des Erdmagnetfeldes zu kompensieren. Bei den Feldstudien könnte allerdings eine Rolle spielen, dass die Vögel nur relativ kurz den künstlichen Magnetfeldern ausgesetzt waren und die Versuche nachts bei sternenklarem Himmel durchgeführt wurden. Es ist denkbar, dass bei Bewölkung das Zugverhalten der Vögel durch zusätzliche künstliche Magnetfelder beeinträchtigt wird. Dies wird weiter untersucht.

Fledermäuse

Eine Arbeit aus Großbritannien untersuchte einen möglichen Magnetsinn in Fledermäusen im Vergleich zum Magnetsinn in Zugvögeln. Es zeigte sich, dass auch Fledermäuse über einen Magnetsinn verfügen. Dabei spielt aber die Polarität des Magnetfeldes die wichtigste Rolle. Im Gegensatz dazu dient bei Zugvögeln die Inklination des Erdmagnetfelds zur Orientierung.

Daher ist es unwahrscheinlich, dass bei der Wahrnehmung magnetischer Felder durch Fledermäuse der Radikalpaarmechanismus eine Rolle spielt. Der biophysikalische Mechanismus, der es Fledermäusen ermöglicht, Magnetfelder wahrzunehmen, ist aber noch nicht bekannt.

Fledermäuse meiden Quellen elektromagnetischer Felder im Gigahertzbereich. Ein Feldversuch im Umkreis von Radaranlagen zeigte, dass in elektromagnetischen Feldern im Frequenzbereich von 1-4 Gigahertz (bei einer Feldstärke von 2 V/m) die Flugaktivität von Fledermäusen reduziert ist. In diesem Frequenzbereich gibt es aber bisher keinen bekannten biophysikalischen Mechanismus, der erklären könnte, wie der Magnetsinn der Fledermäuse durch solche Felder beeinträchtigt werden kann. Daher geht man zurzeit davon aus, dass die beobachteten Wirkungen auf das Verhalten der Fledermäuse andere Ursachen haben.

Säugetiere allgemein

Weiterhin wurde über die Frage diskutiert, welche weiteren Säugetiere einen Magnetsinn haben. Eindeutig nachgewiesen ist er bei einigen Nagetieren. Weiterhin scheinen sich Herdentiere wie Kühe und Schweine nach dem Magnetfeld der Erde auszurichten, wenn sie in Gruppen geringer Größe zusammen sind. Bisher sind keine Mechanismen vollständig ausgearbeitet, die auf der Ebene von Molekülen oder Zellen in Säugetieren wirken, die eine Wahrnehmung von Magnetfeldern erklären könnten. Daher wurden Versuche mit Nagetieren durchgeführt, um die genauen Mechanismen zu klären. Es gibt in Nagetieren sowohl Hinweise darauf, dass Magnetitpartikel ein Rolle spielen könnten, als auch der von Zugvögeln bekannte Radikalpaarmechanismus.

Es ist allerdings noch unklar, ob beide Mechanismen sich ergänzen, oder je nach Art unterschiedlich auftreten.

In Säugetieren mit schlechtem Sehvermögen, wie Nacktmullen, spielt der Radikalpaarmechanismus keine Rolle, da er Licht benötigt. Hier scheinen Magnetitpartikel bedeutsamer zu sein.

In Säugetieren mit gut entwickelten Augen scheint hingegen der Radikalpaarmechanismus die gewichtigere Rolle bei der Wahrnehmung magnetischer Felder zu spielen. Da beide Mechanismen unterschiedlich auf Magnetfelder reagieren, ist die genaue Erforschung der Arten der Magnetfeldwahrnehmungen in verschiedenen Säugetieren wichtig, um beurteilen zu können, ob von Menschen erzeugte Magnetfelder einen Einfluss auf das Verhalten von Säugetieren haben.

Wahrnehmung magnetischer Felder durch den Menschen

Einer der Pioniere der Erforschung der Wirkung magnetischer Felder auf Lebewesen beschrieb in seinem Vortrag den Magnetitmechanismus und stellte mehrere Studien über die Wahrnehmung magnetischer Felder durch den Menschen vor, beginnend ab den 1970er Jahren. Erste Ergebnisse aus den 1970er Jahren, die darauf hindeuteten, dass der Mensch magnetische Felder wahrnehmen kann, ließen sich nicht reproduzieren. Mittlerweile zeigen sich aber bei neuroelektrophysiologischen Untersuchungen charakteristische Veränderungen der Hirnströme, wenn Menschen magnetischen Feldern ausgesetzt sind. Subjektiv wahrgenommen werden die Felder aber nicht. Die beobachtbaren Effekte beim Menschen lassen sich schwer oder gar nicht mit der Theorie zur Induktion elektrischer Felder oder dem Radikalpaarmechanismus erklären. Sie deuten stattdessen auf einen Mechanismus hin, der auf dem magnetischen Mineral Magnetit (Fe2O3) beruht. Magnetit-Ansammlungen konnten in verschiedenen Gewebeproben des Menschen gefunden werden, besonders auch im Gehirn. Zudem scheint der Mechanismus evolutionär sehr alt zu sein. Es gibt bisher aber keinen Hinweis auf direkte Verbindungen zwischen Magnetit und Nervenzellen. Es ist auch nicht geklärt, ob Magnetit überhaupt eine funktionelle Rolle im menschlichen Körper spielt.

Darüber hinaus wies der Forscher auf einige methodische Probleme bei der Bewertung der Wirkung elektrischer und magnetischer Felder auf biologische Systeme hin, z.B. auf die Notwendigkeit der Verblindung und die Auswahl geeigneter Kontrollen.

Wirkungen elektrischer und magnetischer Felder auf wirbellose TiereEinklappen / Ausklappen

In diesem Zusammenhang wurden Insekten, vor allem Bienen und Hummeln, untersucht, da für diese vor allem elektrische Signale bei der Futtersuche und der Kommunikation von Bedeutung sind. Auch niedere Tiere wie Krebse, Schnecken und Muscheln nehmen Magnetfelder wahr und nutzen sie bei der Orientierung.

Bienen

Der Körper der Bienen ist selbst leicht positiv elektrisch geladen, da es im Flug durch Reibung zu einer Ladungstrennung kommt. Zudem sind Blütenpflanzen, von denen Bienen Pollen und Nektar beziehen, leicht negativ geladen. Die Wahrnehmung elektrischer Felder, die von Pflanzen ausgehen, hilft den Bienen bei der Futtersuche. Hinzu kommt ein elektrischer Gradient zwischen dem Erdboden und der Atmosphäre. Alle drei Mechanismen scheinen für die Wahrnehmung elektrischer Felder durch Bienen eine Rolle zu spielen.

Eine weitere Arbeit aus Deutschland deutet darauf hin, dass Bienen aufgrund ihres elektrisch geladenen Exoskeletts bei ihren Kommunikationsbewegungen (Tänze der Bienen) elektrische Signale produzieren, die Informationen an andere Bienen weitergeben. Es konnte gezeigt werden, dass Pestizide diese Signalerzeugung und Weiterleitung stören. Es gibt aber keine Hinweise, dass elektrische, magnetische und elektromagnetische Felder von Stromleitungen bzw. Mobilfunkanlagen einen ähnlichen Effekt auslösen. Bei der Arbeitsgruppe, die elektrische Signale bei Bienen untersucht, gibt es keine Rückmeldungen von Imkern über entsprechende Probleme. Auch die Tatsache, dass Radar mit einer Frequenz von 9 GHz erfolgreich zur Überwachung der Flugbahnen von Bienen genutzt werden kann, spricht gegen eine schädliche Wirkung dieser Felder.

Wirkungen elektrischer und magnetischer Felder auf PflanzenEinklappen / Ausklappen

Pflanzenwachstum

In einer Arbeit aus Italien wurde die Wirkung magnetischer Felder auf das Wachstum von Pflanzen untersucht. Es zeigten sich geringe Effekte auf das Wachstum und den Stoffwechsel von Pflanzen. Die Effekte auf den Stoffwechsel scheinen innerhalb der normalen Schwankungen zu liegen und sind als natürliche, nicht schädliche Reaktion der Pflanze auf einen äußeren Umwelteinfluss - in diesem Fall das Magnetfeld - zu betrachten.

Rolle der Cryptochrome

Eine weitere Arbeit aus Frankreich befasste sich mit der Rolle der Cryptochrome bei der Wechselwirkung von elektrischen und vor allem magnetischen Feldern mit Pflanzen und Tieren – für diese Arbeit wurden auch Mäuse untersucht. Cryptochrome scheinen demnach bei Pflanzen und Tieren eine entscheidende Rolle bei der Wirkung magnetischer Felder zu spielen. Magnetische Felder können über Cryptochrome das Wachstum von Pflanzen beeinflussen. In Zellen der Maus und in menschlichen Zellen sollen Magnetfelder über Cryptochrome eine Erhöhung der Anzahl reaktiver Sauerstoff-Moleküle auslösen und damit oxidativen Stress verursachen. Dies funktioniert zum Teil auch in der Dunkelheit. Die Magnetfeldstärken, bei denen sich dieser Effekt zeigte, liegen etwa 10-fach über dem natürlichen Magnetfeld der Erde. Es besteht hier weiterer Forschungsbedarf, um die Schwelle zu finden, ab der Effekte auftreten und um die biophysikalischen Mechanismen zu verstehen, die über die Cryptochrome eine mögliche Wirkung von Magnetfeldern auf die gesamte Zelle vermitteln.

Mögliche Auswirkungen hochfrequenter elektromagnetischer Felder: Mobile Kommunikation

In diesem Teil der Konferenz wurden die möglichen Auswirkungen hochfrequenter elektromagnetischer Felder auf Vögel, Säugetiere, Insekten und Pflanzen diskutiert.

Dieser Themenbereich wurde unterteilt in

  • Wirkungen auf Pflanzen
  • Wirkungen auf Wirbeltiere
  • Wirkungen auf wirbellose Tiere

Wirkungen elektromagnetischer Felder auf PflanzenEinklappen / Ausklappen

Gene sowie Form und Struktur von Pflanzen

Eine Arbeit aus Frankreich befasste sich mit den Auswirkungen hochfrequenter elektromagnetischer Felder auf Gene sowie Form und Struktur von Pflanzen. Es konnte gezeigt werden, dass in Pflanzen, abhängig von der Kalzium-Konzentration in der Pflanze, eine Veränderung des Energiestoffwechsels auftrat, wenn diese für 10 Minuten einem elektromagnetischen Feld mit einer Frequenz von 900 MHz und einer Feldstärke von 5 V/m ausgesetzt wurden. Diese Antwort konnte in der gesamten Pflanze beobachtet werden und breitete sich auch über die gesamte Pflanze aus, wenn das elektromagnetische Feld nur lokal auf einige Bereiche der Pflanze wirkte und man den Rest der Pflanze von elektromagnetischen Feldern abschirmte.

Für die systemische Antwort war das Vorhandensein des Pflanzenhormons Abscisinsäure notwendig. Allgemein wurde eine Erhöhung der Aktivität solcher Gene beobachtet, die mit oxidativem Stress zusammenhängen. Es zeigte sich aber keine Wirkung auf die Morphologie der Pflanzen, wenn voll ausgewachsene Pflanzen den elektromagnetischen Feldern ausgesetzt wurden. Bei sich noch entwickelnden Pflanzen zeigte sich dagegen eine Verringerung des Wachstums. Es wurde aber betont, dass die beobachteten Effekte nicht ausreichen, um von einer Gefährdung für Pflanzen auszugehen.

Ökologische Indikatoren

Eine Literaturstudie aus Polen beschäftigte sich mit den möglichen ökologischen Auswirkungen hochfrequenter elektromagnetischer Felder mit dem Fokus auf Pflanzen. Es wurde eine Anzahl von möglichen ökologischen Indikatoren vorgestellt, die in späteren Studien eingesetzt werden können.

Baumschäden und Mobilfunksendeanlagen

In einem Kurzvortrag wurde eine Arbeit aus Deutschland vorgestellt, welche eine Beschreibung von 60 gezielt ausgewählten senderseitig-geschädigten Bäume mit Sicht auf eine Basisstation, 30 zufällig ausgewählten Bäumen und 30 Bäumen mit geringer Mobilfunkbelastung ohne Schäden umfasste. Hieraus wurde ein möglicher Zusammenhang zwischen Baumschäden und der Nähe zu Mobilfunksendeanlagen postuliert. Die Stärke der elektromagnetischen Felder wurde gemessen.

Aus Sicht des BfS weist die Arbeit erhebliche methodische Mängel auf, wie z.B. dass die geschädigten und nicht-geschädigten Bäume nicht alle zufällig und unabhängig zur Sicht zur Basisstation ausgewählt wurden und dass andere Faktoren, die Bäume schädigen können, nicht diskutiert wurden. Zur Untersuchung eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen Schädigung von Bäumen und hochfrequenten Feldern von Mobilfunkanlagen ist das Studiendesign nicht geeignet.

Wirkungen von hochfrequenten elektromagnetischen Feldern auf WirbeltiereEinklappen / Ausklappen

Grauer Star bei Kälbern

Hier gab es nur eine Studie aus der Schweiz über einen möglichen Zusammenhang zwischen der Bildung von grauem Star bei Kälbern auf einem Bauernhof in der Nähe eines neu aufgestellten Mobilfunkmasten. An dem untersuchten Standort waren viele weitere Faktoren vorhanden, die ebenfalls Auswirkungen auf Kälber vor und nach der Geburt haben können (Autobahn, Ölleitungen, Stromleitungen, Zugverbindungen). Die Häufigkeit er Katarakte auf diesem Bauernhof war im Vergleich mit der gesamten Schweiz erhöht. Die Verteilung der Katarakte bei Kälbern in der Schweiz zeigte eine Korrelation mit der Exposition durch Mobilfunksendeanlagen, ob dieser Zusammenhang ursächlich ist, bleibt aber unklar. In einer experimentellen Studie wurden 10 Kühe mit GSM (900 MHz, 10-20 V/m) exponiert und im Blut die Konzentration von Enzymen bestimmt, die auf oxidativen Stress hindeuten. Bei einigen Kühen stiegen die entsprechenden Enzyme an, bei anderen waren sie gesenkt oder es kam zu keiner Veränderung. Die Werte bewegten sich überwiegend im normalen physiologischen Bereich. Die vielen Störfaktoren auf dem Bauernhof, die geringe Anzahl der untersuchten Kühe sowie die nicht eindeutigen Ergebnisse lassen die Studie aus Sicht des BfS als wenig aussagekräftig erscheinen.

Wirkungen elektromagnetischer Felder auf wirbellose TiereEinklappen / Ausklappen

Vorkommen und Diversität bei Bestäubern

Auf den zwei griechischen Inseln Limnos und Lesvos wurde eine Studie durchgeführt zum Vorkommen und zur Diversität von Bestäubern in Abhängigkeit von der Entfernung zu Mobilfunkanlagen. Die von den Mobilfunkanlagen erzeugten Felder wurden gemessen und mit dem Vorkommen der Insekten korreliert.

Die Ergebnisse waren nicht einheitlich: die Zahlen einiger Insektenarten sanken mit steigender elektrischer Feldstärke, bei anderen Insektenarten stiegen die Zahlen sogar an. Die Wirkung auf die Artenvielfalt war von Insel zu Insel unterschiedlich.

Mögliche Resonanzeffekte

Bei zukünftigen Anwendungen im Hochfrequenzbereich (5G-Anwendungen > 20 GHz) werden Wellenlängen erreicht, die in etwa der halben Länge von Insektenkörpern entsprechen, wodurch Resonanzeffekte auftreten könnten. Daher ist es wichtig, in diesem Bereich weitere Forschung durchzuführen.

Schlussfolgerung/Fazit

Bisher konnten bei umweltrelevanten Feldstärken keine schädlichen Wirkungen auf Tiere und Pflanzen durch künstliche elektrische, magnetische oder elektromagnetische Felder nachgewiesen werden. Während es biophysikalische Mechanismen gibt, die es Tieren und auch Pflanzen erlauben, Magnetfelder und elektrische Felder geringer Stärke wahrzunehmen - hier ist besonders das Erdmagnetfeld zu nennen, das eine Feldstärke von 50 µT besitzt - liegen bisher weder experimentelle Befunde noch theoretische Modelle vor, die es wahrscheinlich erscheinen lassen, dass die Felder, die von Stromleitungen und Mobilfunkanlagen ausgehen, eine schädliche Auswirkung auf Insekten, Vögel, Säugetiere und Pflanzen haben. Von den biophysikalischen Mechanismen, die vorgeschlagen wurden, um die Wahrnehmung elektromagnetischer Felder mit niedriger Energie zu erklären, scheint der Radikalpaarmechanismus nicht geeignet zu sein, um eine mögliche biologische Wirkung von Feldern, die bei Wechselstromleitungen und Mobilfunkanlagen entstehen, zu erklären.

Keine bekannten Mechanismen für schädliche Effekte

Neben der unklaren experimentellen Befundlage gibt es auch keinen weiteren bekannten theoretischen Mechanismus, der etwaige schädliche Einflüsse von Feldern, wie sie bei Stromleitungen oder bei Mobilfunkmasten auftreten, auf Pflanzen und Tieren befriedigend erklären könnte. Die anderen vorgeschlagenen Mechanismen, wie elektromagnetische Induktion oder die Verwendung von Magnetit in biochemischen Prozessen sind noch zu unerforscht, um brauchbare Schlussfolgerungen ziehen zu können.

Ergebnisse waren teilweise widersprüchlich

Zwar konnten Wirkungen von nieder- und hochfrequenten elektromagnetischen Feldern auf Pflanzen und Tiere beobachtet werden, diese Effekte waren aber zu schwach, um eine dauerhafte Veränderung in der Physiologie, dem Metabolismus oder bei Tieren eine Modifikation des Verhaltens auszulösen. Die vorgetragenen Ergebnisse waren zum Teil widersprüchlich und es wurde der Bedarf nach weiterer Forschung in diesem Gebiet von den Teilnehmern der Konferenz bekräftigt.

Probleme bei Freilandversuchen

Es wurde auch auf die Probleme bei der Konzeption und Durchführung von Freilandversuchen mit Tieren (und Pflanzen) im Bereich der nieder- und hochfrequenten Felder hingewiesen. Zum einen sind die beobachtbaren Effekte klein, zum anderen können Ergebnisse von Laborstudien nicht oder selten auf Freilandversuche übertragen werden.

Weitere Forschung notwendig

Das allgemeine Fazit der Konferenz bestand darin, dass derzeit keine gesicherten wissenschaftlichen Belege für ernsthafte schädliche Wirkungen auf die Tier- und Pflanzenwelt vorliegen, es aber Einzelhinweise gibt, denen mit weiterer Forschung nachgegangen werden sollte. Weiterhin besteht Bedarf bei der Entwicklung von robusten Protokollen zu Experimenten und Freilandversuchen, sowie der Messung (Dosimetrie) der Menge an Energie, die von elektromagnetischen Feldern auf biologische Systeme übertragen wird. Auch zu den Mechanismen der Wechselwirkung von elektrischen und magnetischen Feldern mit Tieren und Pflanzen besteht noch großer Forschungsbedarf.

Stand: 14.04.2021

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