Navigation und Service

8.1. Fachveranstaltungen zu verschiedenen Aspekten der Kommunikation beim Stromnetzausbau

8.1.a Fachgespräch zu verschiedenen Aspekten der Kommunikation im Stromnetzausbau

Projektleitung: Bundesamt für Strahlenschutz
Beginn: 29.11.2017
Ende: 30.11.2017

Hintergrund

Um den aktuellen wissenschaftlichen Stand im Bereich der Kommunikation bezüglich elektrischer und magnetischer Felder beim Stromnetzausbau von Forscher*innen dargestellt zu bekommen, führte das BfS ein Fachgespräch zu verschiedenen Aspekten der Kommunikation beim Stromnetzausbau durch. Wesentlicher Bestandteil des Fachgesprächs sollten neben wissenschaftlichen Beiträgen aber auch Beiträge von Kommunikator*innen aus der Praxis vor Ort sein. Dementsprechend wurden auch verschiedene Stakeholder dazu eingeladen, mitzudiskutieren und eigene Vorträge zu halten.

Zielsetzung

Ziel des Fachgesprächs war es, die bisherigen Erkenntnisse aus der sozialwissenschaftlichen Forschung mit der interessierten sowie der Fachöffentlichkeit zu diskutieren. Themenschwerpunkte waren Diskursgestaltung, Glaubwürdigkeit, Vertrauen, Transparenz und "Lessons Learned" aus bisherigen Praxisbeispielen des Stromnetzausbaus. Zu diesen Aspekten sollten Erkenntnisse für die weitere Ausgestaltung der geplanten Forschungsprojekte im Bereich "Risikowahrnehmung und Risikokommunikation" gewonnen werden.

Durchführung

Das Fachgespräch fand am 29. und 30. November 2017 im BfS am Standort München in Neuherberg statt. Mehr als 60 Personen nahmen an dem Fachgespräch teil. Der Kreis der Teilnehmenden setzte sich aus Sozialwissenschaftler*innen, Behördenvertreter*innen, Vertreter*innen von Bürgerinitiativen sowie Netzbetreibern zusammen.

Das Programm der Veranstaltung finden Sie hier.

Ergebnisse

1. Risikowahrnehmung, Sorgen und Ängste
  • Bevölkerungsumfragen sollten nicht nur die Wahrnehmung von Risiken erfragen, sondern auch die Lebensumstände, die Arbeitswelt und die Wohnsituation als wichtige Faktoren im täglichen Leben, die die Risikowahrnehmung beeinflussen.
  • Vertrauen und Transparenz sind wichtige Aspekte für die Risikokommunikation.
  • Die geplanten neuen oder zu ertüchtigenden Hochspannungsfreileitungen und Erdkabel werden von betroffenen Anwohnern als "gesellschaftlich ungerecht verteilt" ("Wir fühlen uns als Bürger*innen 2. Klasse") empfunden, da sie keinen direkten Nutzen daraus ziehen.
  • Informationen zu wissenschaftlichen Unsicherheiten in der Risikobewertung können dazu beitragen, Besorgnis vor gesundheitlichen Beeinträchtigungen in der Bevölkerung hervorzurufen. Auch wahrgenommene Ungerechtigkeiten bei der Planung von Infrastruktureinrichtungen (z.B. wenn in einer Gemeinde eine oberirdische Leitung für Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ) gebaut wird und in der Nachbargemeinde Erdverkabelung vorgenommen wird) können dazu führen, dass eine Gemeinde verstärkt besorgt ist wegen gesundheitlicher Beeinträchtigungen.
  • Die Wahrnehmung von wissenschaftlichen Unsicherheiten und die Tatsache, dass z.B. die neue Technologie der Hybridleitung (Ultranet-Projekt mit einer Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung und Wechselstromübertragung auf denselben Masten) als Pilotprojekt bezeichnet wurde, führen dazu, dass Betroffene sich als "Untersuchungsobjekte" fühlen – so die Aussagen von Bürger*innen, die am Fachgespräch teilnahmen.
  • Forschungsergebnisse über neue Erkenntnisse bzgl. gesundheitlicher Aspekte von Hochspannungsfreileitungen und Erdkabeln sollten vor Ort erläutert werden, um ihre praktische Relevanz für die Betroffenen zu verdeutlichen.
2. Erfahrungen mit (Risiko-)Kommunikationssituationen im Bereich des Stromnetzausbaus aus verschiedenen Blickwinkeln
  • Erfahrungen von Vertreter*innen von Behörden sowie der Stromnetzbetreiber zeigen, dass Frontalveranstaltungen nicht zielführend sind. Kommunikation vor Ort funktioniert am besten an Thementischen und auf Augenhöhe, d.h. die Zahl der Teilnehmenden bei Veranstaltungen sollte eher gering sein oder sich auf Informationsstände mit unterschiedlichen Schwerpunkten verteilen.
  • Einheitliche Argumente und ein einheitlicher Sprachgebrauch werden von der Mehrheit der an der Diskussion Teilnehmenden für besonders wichtig gehalten. Insbesondere werde Vertrauen geweckt durch widerspruchsfreie Informationen von verschiedenen Seiten.
  • Neutrale Behördenvertreter*innen und persönlich bekannte Ansprechpartner*innen seien für eine gelingende Kommunikation wichtig.
  • Es gibt in den Kommunen zu wenig Personen, die sowohl Entscheidungen und Verfahren als auch Wissen zu Strahlenschutz- und Gesundheitsaspekten kompetent vertreten können. Mehr personelle Kapazitäten auf Bundesebene – ein sogenannter bundesweiter Expert*innenpool – und Wissenstransfer in die lokale Ebene hinein werden als wichtig erachtet.
  • Die Ausbildung von Multiplikator*innen wie z.B. Ärzt*innen, Vertreter*innen des öffentlichen Gesundheitswesens oder des Immissionsschutzes, hinsichtlich der Risikokommunikation zu Strahlenschutz- und Gesundheitsaspekten ist wichtig.
3. Risikokommunikation zum Strahlenschutz, das Bundesamt für Strahlenschutz als Kommunikationspartner
  • Der Strahlenschutz beim Stromnetzausbau beruht für das BfS auf zwei Aspekten: Grenzwerte, die vor den nachgewiesenen Wirkungen schützen und ergänzende Vorsorgemaßnahmen bei bestehenden wissenschaftlichen Unsicherheiten.
  • Das Vorsorgeprinzip dient bei bestehenden wissenschaftlichen Unsicherheiten der Minimierung von Expositionen und damit dem Schutz vor gesundheitlichen Beeinträchtigungen.
  • Das Vorsorgeprinzip als Schutz vor möglichen, aber nicht nachgewiesenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen, bei gleichzeitig vorhandenen, nach dem Stand des Wissens "sicheren" Grenzwerten, kann jedoch missverstanden werden. Unter Umständen können Informationen zur Vorsorge die bestehende Verunsicherung noch verstärken (z.B. mündet dies in der Forderung von Vertreter*innen von Bürgerinitiativen nach einem Moratorium des Stromnetzausbaus bis zur Klärung der Fragen durch die ausstehenden Forschungsvorhaben).
4. Kommunikation von wissenschaftlichen Unsicherheiten, Einsatz und Wirkung von Zahlen
  • Die Darstellung von Messergebnissen vor Ort wird als hilfreich und vertrauenerweckend angesehen. Das Darstellungsformat sei jedoch nicht immer selbsterklärend und für Nicht-Expert*innen nicht leicht verständlich oder sogar irreführend. Die von Kritiker*innen häufig unterschiedlich verwendeten Einheiten und damit einhergehenden großen Zahlen suggerieren hohe Belastungen und große Risiken.
  • Wissenschaftliche Unsicherheiten in der Risikobewertung seien von den Unsicherheiten abzugrenzen, die durch Kommunikation entstehen. Hier sind eine einheitliche Sprache und ggf. einheitliche Erklärungen für Fachbegriffe für Bürger-Veranstaltungen unabdingbar.
5. Ein Metablick auf Kommunikationsprozesse
  • Es gibt weder "die" noch "die typische" Risikokommunikation. Der Kommunikationsprozess hängt immer von den jeweiligen Gegebenheiten vor Ort ab.

8.1.b Workshop zur Risikobewertung und Risikowahrnehmung beim Stromnetzausbau

Projektleitung: RISA GmbH
Beginn: 01.11.2018
Ende: 31.03.2019

Hintergrund

Basierend auf den Ergebnissen des ersten Teilprojekts wurde als zweites Teilprojekt ein Workshop zur Risikokommunikation beim Stromnetzausbau durchgeführt. Im Fokus dieses Workshops standen zwei Themen:

  1. Einheitlichkeit des Sprachgebrauchs unterschiedlicher Akteure in der Kommunikation mit den Bürger*innen vor Ort
  2. Wissensvermittler*innen vor Ort: Welche gibt es und wie kann das BfS sie erreichen?

Zielsetzung

Für beide Themen gab es jeweils ein Ziel:

  1. Mit beim Stromnetzausbau relevanten Stakeholder*innen Schlüsselbegriffe des Diskurses um Stromnetzausbau, niederfrequente elektrische und magnetische Felder und Gesundheit zu identifizieren sowie deren Verwendungsweise zu klären. Dies soll zu einer besseren Information der Bürger*innen in den vom Stromnetzausbau betroffenen Regionen beitragen;
  2. Relevante Gruppen von Wissensvermittler*innen vor Ort zu identifizieren sowie Distributionswege zu diesen Wissensvermittler*innen aufzeigen.

Durchführung

In Absprache mit dem BfS konzipierten und moderierten die RISA GmbH und die adelphi GmbH den Workshop. Dieser fand am 25. und 26. Februar 2019 am BfS-Standort München in Neuherberg statt. Der erste Tag des Workshops widmete sich dem Thema "Schlüsselbegriffe", der zweite Tag dem Thema "Wissensvermittler*innen vor Ort". Am Workshop nahmen Vertreter*innen von Bundes- und Landesbehörden, von Bürgerinitiativen, von Netzbetreibern, der Strahlenschutzkommission sowie weitere Wissensträger*innen teil.

Ergebnisse

Ergebnisse zu Ziel 1

Es wurde herausgearbeitet, dass nahezu sämtliche Schlüsselbegriffe für die Kommunikation mit Bürger*innen vor Ort negativ konnotiert sind, das heißt eine negative "Bildwirkung" haben. Dies stellt für die Kommunikation eine Herausforderung dar. Bezüglich der Wirkung und Verwendung einzelner Schlüsselbegriffe wurden Übereinstimmungen erzielt: Die Stakeholder*innen stimmten nahezu geschlossen dem Vorschlag zu, dass grundsätzlich eher von "Feldern" als von "Strahlung" gesprochen werden sollte. Bei anderen Schlüsselbegriffen, beispielsweise beim Begriff "Gefahr" wurden verschiedene Facetten des Begriffs herausgestellt, eine Einigung bzgl. der Benutzung des Begriffs war jedoch nicht herzustellen.

Ergebnisse zu Ziel 2

Als relevante Gruppen von Wissensvermittler*innen vor Ort wurden identifiziert:

  • Lokale Politiker*innen (z.B. MdB, MdL, Bürgermeister*innen),
  • Ärzt*innen,
  • Lehrer*innen,
  • Medien (Lokaljournalist*innen, Technik-/Fachjournalist*innen).

Für diese einzelnen Gruppen von Wissensvermittler*innen wurden Distributions- bzw. Ansprachemöglichkeiten diskutiert und skizziert. Zum Beispiel können lokale Ärzt*innen unter anderem über Amtsärzt*innen vor Ort erreicht werden, die wiederum Informationen von den Landesgesundheitsämtern erhalten. Als eine erhebliche Hürde für die Erreichung von Wissensvermittler*innen vor Ort stellte sich die föderale Struktur der Bundesrepublik heraus.

Einzelne Möglichkeiten der Distribution von Informationen an die entsprechenden Gruppierungen von Schlüsselakteur*innen wurden aufgezeigt, beispielsweise die Bereitstellung von Informationsmaterialien zum Thema für MdB/MdL bzw. die Fachreferent*innen der Parteien.

Seiteninformationen und -Funktionen