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7.1 Entwicklung und Verfeinerung dosimetrischer Modelle für die Expositionsanalyse und -bewertung

Projektleitung: DI. Gernot Schmid, Seibersdorf Labor GmbH
Beginn: 01.11.2021
Ende: 31.10.2024

Hintergrund

Zentraler Bestandteil des international empfohlenen Schutzkonzepts vor gesundheitlichen Wirkungen niederfrequenter elektrischer und magnetischer Felder sind die von ICNIRP [1] und IEEE [2] festgelegten Referenzwerte und die damit zusammenhängenden Basisgrenzwerte. Letztere beruhen bei Frequenzen unter 10 MHz auf nachgewiesenen biologischen Wirkungen körperinterner elektrischer Feldstärken und magnetischer Flussdichten. Während sich die magnetische Permeabilität für die meisten Gewebearten nicht von Luft unterscheidet und somit die interne magnetische Flussdichte dem externen Wert entspricht, ist die interne elektrische Feldstärke nur schwer zugänglich und darüber hinaus stark von der Art und Struktur des Gewebes abhängig. Die dielektrischen Eigenschaften von Gewebearten wurden in zahlreichen Arbeiten theoretisch modelliert [3, 4, 5] und zum Teil vermessen (z.B. an Schweinen [6]). Es bleiben jedoch weiterhin Unsicherheiten speziell in Bezug auf die feineren Strukturen in menschlichem Gewebe. Die IEEE zählt deshalb sowohl die Messung von Gewebeleitfähigkeiten als auch die Modellierung von Haut, Muskel und Nervengewebe zu den am dringendsten zu behandelnden Forschungslücken (Kap. 2.1 und 2.2 [7]).

Zielsetzung

Ausgehend vom aktuellen Stand der Datenlage und Simulationstechniken sollen in diesem Forschungsvorhaben die dielektrischen Eigenschaften von Geweben des peripheren Nervensystems anhand von Gewebeproben bestimmt werden. Im besonderen Fokus stehen dabei Haut- und Muskelgewebe, da diese aufgrund ihrer Lage im Körper besonders exponiert sind. Basierend auf der verbesserten Datengrundlage sollen derzeit verwendete Körperteilbereichsmodelle ("induction models") verfeinert und für die numerische Simulation von Feldkonfigurationen verwendet werden. Von besonderem Interesse ist die gleichzeitige Wirkung elektrischer und magnetischer Felder, wie sie etwa in der Umgebung von Freileitungen zur Stromversorgung vorkommen. Es werden Aussagen zur Konservativität der Referenzwerte (an der Luft) abgeleitet aus den Basiswerten (im Körper) erwartet.

Durchführung

Als Grundlage für das Forschungsvorhaben dient zum einen die Recherche der aktuellen Datenlage zur elektrischen Leitfähigkeit, Permittivität, Massendichte, spezifischer Wärme und Wärmeleitfähigkeit von menschlichem und Säugetiergeweben und deren Messmethoden. Zum anderen werden aktuell verwendete numerische Berechnungsmethoden für die dosimetrische Modellierung im Niederfrequenzbereich aufgearbeitet und deren Vor- und Nachteile, insbesondere bezüglich numerischer Artefakte bewertet.

Basierend auf diesen Erkenntnissen werden die elektrische Leitfähigkeit und Permittivität von Haut-, Muskel- und Fettgewebe im Frequenzbereich bis 1 MHz anhand optimierter Messmethoden bestimmt. Im Falle von Hautgewebe wird deren Feinstruktur in Epidermis, Dermis und Subkutis in separaten Messungen berücksichtigt. Im Falle von Muskelgewebe liegt besonderes Augenmerk auf der Anisotropie von Leitfähigkeit und Permittivität. Parallel zu Messungen an menschlichen Gewebeproben werden Messungen der elektrischen Leitfähigkeit in vivo auf Basis von Impedanzmessungen und MRT-Scans an Probanden durchgeführt. Dieser neue Ansatz soll weitere Einblicke im Hinblick auf die Frage möglicher Abweichungen zwischen in vitro Messdaten an Gewebeproben und den in vivo Eigenschaften der Gewebe ermöglichen.

Basierend auf den gewonnen Originaldaten werden schließlich verfügbare Körperteilbereichsmodelle verbessert, so dass eine Bestimmung des Zusammenhangs zwischen von außen einwirkenden Feldstärken und den in den Körpergeweben induzierten Feldgrößen mit deutlich geringerer Unsicherheit als bisher möglich wird. Besondere Beachtung findet dabei die Analyse von Artefakten durch die Diskretisierung des Rechenraumes und durch anatomische Ungenauigkeiten der Gewebemodelle. Außerdem werden sowohl die Auswirkung der Gewebeanisotropie auf die Modellgenauigkeit berücksichtigt als auch "kritische" Gewebestrukturen, etwa Grenzschichten oder dünne Schichten. Mit den so erhaltenen optimierten Modellen und Methoden werden abschließend umfangreiche numerische Berechnungen durchgeführt um die Konservativität der Referenzwerte zu überprüfen. Insbesondere werden dazu auch Expositionssituationen mit gleichzeitigem Einwirken von elektrischen und magnetischen Feldern betrachtet.

Referenzen

1) International Commission on Non-Ionizing Radiation Protection, 2010. Guidelines for limiting exposure to time-varying electric and magnetic fields (1 Hz to 100 kHz). Health physics, 99(6), pp.818-836.

2) Laakso, I. and Hirata, A., IEEE Standard for Safety Levels with Respect to Human Exposure to Electromagnetic Fields, 0-3 kHz, C95. 6-2002 IEEE Standard for Safety Levels with Respect to Human Exposure to Electromagnetic Fields, 0-3 kHz, C95. 6-2002, 2002.

3) Foster KR, Schwan HP. Dielectric properties of tissues and biological materials: a critical review. Crit Rev Biomed Eng. 1989;17(1):25-104. PMID: 2651001.

4) Gabriel, S., Lau, R.W. and Gabriel, C., 1996. The dielectric properties of biological tissues: III. Parametric models for the dielectric spectrum of tissues. Physics in medicine & biology, 41(11), p.2271.

5) IT'IS Foundation, Dielectric properties

6) Gabriel, C., Peyman, A. and Grant, E.H., 2009. Electrical conductivity of tissue at frequencies below 1 MHz. Physics in medicine & biology, 54(16), p.4863.

7) Reilly, J.P. and Hirata, A., 2016. Low-frequency electrical dosimetry: research agenda of the IEEE International Committee on Electromagnetic Safety. Physics in Medicine & Biology, 61(12), p.R138.

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