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6.1. Bewertende Literaturstudie zum Auftreten, zur Ausbreitung und zu gesundheitlichen Auswirkungen von ionisierten Schadstoffpartikeln in der Umgebung von Starkstromleitungen

Systematische Aufbereitung und umfassende Bewertung der Exposition der Bevölkerung mit ionisierten Schadstoffpartikeln im Wirkbereich von Hochspannungsleitungen

Projektleitung: Leibniz Institut für Troposphärenforschung e. V., Leipzig
Beginn: 01.07.2019
Ende: 30.09.2020

Hintergrund

Die großen elektrischen Feldstärken an spannungsführenden Bauteilen von Hochspannungsfreileitungen können zur Ionisation von Luftbestandteilen führen. Insbesondere an spitzen Kanten (schadhafte Bauteile, Verschmutzungen etc.) kann die elektrische Feldstärke schnell den kritischen Wert von ca. 30 kV/cm übersteigen und eine sogenannte Korona-Entladung stattfinden.

Dieses gut untersuchte physikalische Phänomen ist seit der Entwicklung von Hochspannungsleitungen eine unerwünschte Begleiterscheinung der Stromübertragung mit hohen Spannungen. Jedoch existieren Unsicherheiten in der Risikobewertung von Schadstoffpartikeln, die unter anderem in von Hochspannungsgleichstrom-Übertragungsleitungen (HGÜ) emittierten Ionenwolken ionisiert werden können. Mit dem Fokus auf Wechselspannungsleitungen in Großbritannien wurde die Problematik im Jahre 2004 durch das britische National Radiological Protection Board (NRBP) umfassend analysiert und bewertet. Demnach sind im Umkreis von Hochspannungsfreileitungen keine nachteiligen Wirkungen zu erwarten. Um dem Umstand Rechnung zu tragen, dass im Umfeld von HGÜ-Freileitungen tendenziell höhere Ionenkonzentrationen als im Umfeld von HWÜ-Freileitungen erwartet werden können und um den aktuellen Wissensstand abzubilden, wurde eine bewertende Literaturstudie initiiert.

Zielsetzung

Die vorliegende Literaturstudie soll dazu beitragen, den aktuellen Kenntnisstand zu möglichen gesundheitsrelevanten Wirkungen von ionisierten Partikeln, die sich unter den Bedingungen eines statischen elektrischen Feldes relativ weit ausbreiten können, zusammenzufassen und vorhandene Kenntnislücken zu identifizieren. Ziele der Recherche und Ausarbeitung sind:

  • Quantitative Bestimmung der Exposition der Bevölkerung mit Ionen und geladenen Schadstoffpartikeln im Umfeld von Hochspannungsleitungen und im Vergleich dazu in anderen Umgebungen
  • Zusammenfassung und Bewertung der Literaturangaben zur Depositionserhöhung im Atemtrakt durch Ladung auf Partikeln
  • Erfassung und Bewertung möglicher biologischer und gesundheitlicher Wirkungen durch im Umfeld von Hochspannungsleitungen zusätzlich aufgenommene Ladungen auf Partikeln
  • Identifikation offener Fragen und des weiteren Forschungsbedarfs

Durchführung

Im Rahmen einer Literaturrecherche wurden vom FN über 600 Publikationen als grob themenbezogen und 400 als potentiell relevant eingestuft. Zur Beantwortung der Fragestellung geeignete Literaturstellen wurden untersucht und die relevanten quantitativen Angaben extrahiert und in der Literatur beschriebenen theoretischen Modellen gegenübergestellt. Die Informationen zur Exposition wurden schließlich mit Literaturangaben zu möglichen biologischen Wirkungen verglichen und bewertet.

Ergebnisse

Eine eingehende Analyse der Literaturangaben zur Exposition im Umfeld von Hochspannungsanlagen ergab, dass hohe Konzentrationen von Korona-Ionen vor allem nahe von Gleichspannungsleitungen auftreten. Es zeigt sich, dass bereits zahlreiche Messungen an Gleichstromanlagen in der Literatur beschrieben sind. Die Konzentration von Ionen und geladenen Partikeln im Umfeld von Hochspannungsleitungen hängt stark von verschiedenen Parametern ab, hierzu zählen u.a. die Leitungsspannung, die Höhe der Leitung über dem Boden, die Entfernung zwischen Leitung und Messstation sowie die Windstärke und -Richtung. Da Messungen unter sehr unterschiedlichen Gegebenheiten durchgeführt wurden, ist ein Direktvergleich der Ergebnisse verschiedener Studien kaum möglich, was einen Vergleich mit theoretischen Erwartungen unter den jeweils gegebenen Umständen erforderlich machte. Dieser Vergleich ergab, dass die Messwerte den theoretisch zulässigen Maximalwerten durchaus nahekommen können, diese aber praktisch nie überschreiten. Die einschlägige Theorie von Kaune et al. scheint daher ein geeignetes Mittel zur Vorhersage von maximal möglicher Ionenkonzentration zu sein und floss in eine im Rahmen des Vorhabens entwickelte theoretische Abschätzung von möglichen Partikelbeladungen ein, weil die quantitativen Literaturangaben zu Partikelbeladungen eingeschränkte Aussagekraft aufweisen.

Der Einfluss von im Umfeld von Hochspannungsleitungen erreichbaren Partikelladungen auf die Deposition im Atemtrakt ist in der Vergangenheit nur in wenigen Untersuchungen adressiert worden, den Schwerpunkt bilden eine Serie von Humanexperimenten (Melandri et al., 1983) und experimentelle Untersuchungen an Modellen der oberen Atemwege (Cohen et al., 1995). Während im Vergleich mit theoretischen Erwartungen in der Humanstudie kleinere Depositionseffizienzen geladener Partikel festgestellt worden sind, lagen die Depositionseffizienzen in den experimentellen Modelluntersuchungen über den theoretischen Erwartungen.

Eine Extremwertabschätzung auf Basis der experimentellen Daten und unter Einbeziehung der in der Literaturstudie vorgenommenen Abschätzung möglicher Partikelladungen ergab, dass die im Umfeld von Hochspannungsleitungen erreichbaren Partikelladung weder die totale Anzahl noch die totale Masse deponierter Partikel signifikant erhöhen kann. Die in dieser Literaturstudie vorgenommenen Analysen betätigen damit das Ergebnis des vom britischen National Radiological Protection Board verfassten Reports (NRBP, 2004). Die Verknüpfung dieser und weiterer Ergebnisse mit Literaturangaben zu möglichen gesundheitlichen Wirkungen von Luft-Ionen und geladenen Partikeln legt nahe, dass im Umfeld von HGÜ- und HWÜ-Leitungen nicht von nachteiligen Wirkungen auf die Gesundheit durch Ionen oder geladene Partikel auszugehen ist.

Der Ergebnisbericht wurde im Digitalen Online Repositorium und Informations-System DORIS veröffentlicht.

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