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Messsysteme

  • In der Frühphase eines radiologischen Notfalls kommen stationäre und quasi-stationäre ODL-Messsysteme zum Einsatz.
  • Später dienen ergänzende Messungen mit mobilen Messsystemen dazu, das Bild der radiologischen Lage zu verfeinern.
  • Insgesamt werden vier unterschiedliche Arten an Messsystemen vorgehalten.

Kommt es zu einem radiologischen Störfall, ermitteln in der Frühphase eines solchen Störfalls ausschließlich automatisch arbeitende stationäre und quasi-stationäre Messsysteme die äußere Strahlenbelastung durch kontinuierliche Messung der Gamma-Ortsdosisleistung (ODL). Die Messdaten ermöglichen eine erste grobe Dosisabschätzung in den betroffenen Gebieten.

Nachdem sich die radiologische Lage stabilisiert hat und keine Freisetzung mehr zu erwarten ist, setzt das BfS ergänzend mobile Messsysteme ein, um das Bild der radiologischen Lage zu verfeinern. Dazu wird zunächst die räumliche Verteilung von radioaktiven Stoffen mit Hilfe von hubschraubergestützten Messungen kartiert.

Werden bei der Auswertung Bereiche mit Werten der Gamma-Ortsdosisleistung deutlich oberhalb der natürlichen Umgebungsstrahlung lokalisiert, können diese Gebiete zusätzlich durch fahrzeuggestützte Messungen radiologisch detaillierter untersucht werden. Hierfür werden an sechs Standorten Deutschlands speziell ausgerüstete Fahrzeuge vorgehalten.

Ergänzt werden können diese Untersuchungen durch Vor-Ort-Messungen und die Entnahme von Boden- und Pflanzenproben mit anschließender radiochemischer Analyse im Labor.

Vier Arten von Messsystemen

Insgesamt werden vier unterschiedliche Arten von Messsystemen vorgehalten.

ODL-Sonden

Stationäre und quasi-stationäre ODL-Sonden

Das ODL-Messnetz verfügt über ortsfest aufgebaute Sonden mit kabelgebundenen Anschlüssen zur Stromversorgung und zur Datenübertragung. Zusätzlich stehen auch sogenannte quasi-stationäre ODL-Sonden bereit. Es handelt sich dabei um mobile Sonden mit autarker Stromversorgung. Im Ereignisfall kann das Messnetz mit diesen Sonden gezielt in einem möglicherweise betroffenen Gebiet verdichtet werden. Dadurch lassen sich kleinräumigere Bewertungen der radiologischen Lage erstellen. Das Gesamtbild wird genauer.

Aufbau und Funktionsweise der Messsonden

Die stationären und quasi-stationären ODL-Sonden sind weitgehend baugleich. Sie bestehen aus zwei Geiger-Müller-Zählrohren. Die Zählrohre sind mit Gas gefüllt und befinden sich in einem elektrischen Feld. Schlagen Teilchen durch die Rohrwand, wird ein Spannungsimpuls erzeugt, der dann gezählt wird. Die gasgefüllten Zählrohre sind unterschiedlich groß und ermöglichen so einen extrem weiten Messbereich zwischen etwa 0,04 Mikrosievert pro Stunde und 5 Sievert pro Stunde.

Das Niederdosis-Zählrohr

Das empfindliche sogenannte Niederdosis-Zählrohr ermöglicht die Bestimmung der ODL im Grundpegelbereich. Das ist der Bereich der natürlichen Umweltradioaktivität, die in Deutschland bzw. Europa typischerweise im Bereich von 0,04 bis 0,25 Mikrosievert pro Stunde liegt.

Das Hochdosis-Zählrohr

Um auf alle Szenarien vorbereitet zu sein, ermöglicht das zweite sogenannte Hochdosis-Zählrohr die Messungen der ODL bis 5 Sievert pro Stunde.

Die von den ODL-Sonden erzeugten Daten ermitteln einen Gesamtwert der Umgebungsradioaktivität, ohne zwischen unterschiedlichen Radionukliden zu unterscheiden.

Spektrometrierende ODL-Sonden

Eine spektrometrierende ODL-Sonde wird zur energieabhängigen Registrierung der Gamma- und Röntgenstrahlung eingesetzt. Beispielsweise wird bei einem Szintillator-Detektor die Energie der Strahlung in Lichtimpulse umgewandelt. Das Licht wird verstärkt und in ein analoges elektrisches Signal verarbeitet. Das elektrische Signal wird in einen digitalen Wert umgerechnet und weiterverarbeitet. Werden diese Signale über einen längeren Zeitraum – zum Beispiel 30 Minuten - aufgezeichnet, so ergibt sich ein Spektrum. Dieses Spektrum gibt Aufschluss darüber, welche Radionuklide in welcher Intensität beteiligt sind.

Hubschrauber-Messsystem

Messsysteme im Hubschrauber

Reinstgermanium-Detektor (HPGe) Reinstgermanium-Detektor (HPGe)Reinstgermanium-Detektor (HPGe)

Für die Messflüge werden Hubschrauber mit speziellen Einrichtungen zum Aufspüren gammastrahlender Radionuklide ausgerüstet.

Detektoren

Zum Aufspüren gammastrahlender Radionuklide zwei verschiedene Detektortypen zum Einsatz - zum einen ein hochreiner Germaniumdetektor zur sicheren Identifikation von radioaktiven Stoffen, zum anderen bis zu vier Natriumjodid-Detektoren zum Aufspüren von Strahlenquellen und Strahlungsanomalien sowie zur Bestimmung der Gamma-Ortsdosisleistung.

Aufgrund der hohen Empfindlichkeit der Natriumjodid-Detektoren können Spektren schnell aufgenommen und ausgewertet werden. Während eines Messzyklus von einer Sekunde wird bei einer Fluggeschwindigkeit von 100 Stundenkilometer eine Strecke von etwa 28 Metern überflogen.

Summenspektren des Germaniumdetektors und eines NaI(Tl)-Detektors vom Messflug "Biblis" SummenspektrenSummenspektren des Germaniumdetektors und eines NaI(Tl)-Detektors vom Messflug "Biblis"

Dahingegen können die Messzyklen beim Germaniumdetektor wegen der geringeren Nachweiswahrscheinlichkeit mehrere zehn Sekunden bei der Kartierung der natürlichen Radioaktivität in der Umwelt betragen.

Zusätzlich können in den Hubschrauber weitere Messinstrumente wie z. B. ein Gamma- Ortsdosisleistungsmessgerät eingebaut werden. Dadurch kann die Hubschrauberbesatzung während des Messfluges jederzeit über die aktuelle Dosisleistung bzw. die aufgelaufene Dosis informiert werden.

Radiologische Kartierung

Neben den Messspektren werden bei jedem Messzyklus auch die Flughöhen anhand des im Hubschrauber eingebauten Radarhöhenmessers und die geographischen Koordinaten (GPS) aufgezeichnet.

Diese eindeutige Zuordnung der geographischen Koordinaten zu den Messdaten ermöglicht eine radiologische Kartierung der beflogenen Messgebiete.

Mess- und Auswertesoftware

Um während des Fluges Daten aufnehmen und anschließend weiter verarbeiten zu können, hat das BfS verschiedene Softwarelösungen entwickelt und nutzt unter anderem die Programme

  • Control Flight Server (CFS), mit dem alle im Messsystem enthaltenen Hardwarekomponenten angesteuert werden können,
  • Programmable Interface for Spectrometry Applications (PISA), das Messungen starten, beenden und eingestellte Messparameter sowie aufgenommene Messdaten visualisieren und speichern kann, sowie
  • Rohflug, dass eine erste detaillierte Auswertung der Messdaten direkt nach der Landung des Hubschraubers ermöglicht.

Fahrzeug-gestützt

Mobile in-situ Messsysteme

Um Radionuklide im Boden in-situ – also vor Ort und ohne Probenahme – nachzuweisen, wird die Art der beim Zerfall der Radionuklide ausgesandten Strahlung analysiert. Diese ist charakteristisch für den jeweiligen Prozess. Die Art der emittierten Teilchen und deren Energie(-verteilung) stellen somit eine Art Fingerabdruck eines Radionuklids dar.

In-situ Gammaspektroskopie

Für die in-situ Gammaspektroskopie setzt man nahezu ausschließlich Messsysteme ein, deren Kernstück aus einem mit hochreinem Germanium (abgekürzt HPGe nach dem englischen high purity Germanium) gefüllten Detektorkopf besteht. Die Energie der Gammastrahlung wird in elektrische Impulse umgewandelt. Durch einen Vielkanalanalysator wird die Impulshöhe verarbeitet und ein Spektrum erzeugt.

HPGe-Detektoren zeichnen sich durch eine sehr gute Energieauflösung aus, die allerdings nur über eine starke Kühlung (circa -196 Grad Celsius) erreicht wird. Durch großvolumige Detektoren und lange Messzeiten können auch sehr geringe Mengen an Radionukliden nachgewiesen werden.

Mobile ODL

Mobile ODL zur Messung während der Fahrt

Für ODL-Messungen während der Fahrt nutzt das BfS ein großvolumiges NBR- (Natural Background Reduction) System.

Das System nutzt ein spezielles Verfahren, um zwischen künstlicher und natürlich vorkommender radioaktiver Strahlung zu unterscheiden. Dabei detektiert das System die Gammastrahlung in verschieden Energiebereichen und vergleicht die gemessenen Werte miteinander. Weicht das gemessene Spektrum von dem vorher erlernten natürlichen Spektrum ab, ist dies ein Indiz für künstliche Aktivität.

Rucksack-getragene ODL-Messsysteme zur kleinräumigen Kartierung

Das mobile Messsystem besteht aus einer eichfähigen Szintillatorsonde in Kombination mit einer GPS-Maus und einem Laptop.

An ein vom BfS entwickeltes Programm werden folgende Daten geliefert:

  • die gemessene Ortsdosisleistung (1 Wert pro Sekunde) von der Sonde sowie
  • die geographische Position,
  • die Geschwindigkeit und
  • die geographische Höhe von einer angeschlossenen GPS-Maus.

Die Daten können automatisch im Minutentakt über eine Mobilfunkverbindung zu einem der sechs zentralen Datenserver des BfS-Ortsdosisleistungsmessnetzes (ODL-Messnetz) übertragen und in eine Datenbank eingespeist werden. Die Mitarbeiter vor Ort und in der BfS-Leitstelle können online die Position und die gemessene Ortsdosisleistung der beteiligten Messsysteme beobachten. Bei Bedarf können sie über Handy die Route korrigieren oder kleinräumigere Messungen in einem bestimmten Gebiet anordnen

Stand: 31.05.2023

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