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Wissenschaftlich diskutierte biologische und gesundheitliche Wirkungen niederfrequenter elektrischer und magnetischer Felder

  • Oberhalb der geltenden Grenzwerte gibt es gesundheitliche Wirkungen elektrischer und magnetischer Felder, die wissenschaftlich nachgewiesen sind.
  • Unterhalb der Grenzwerte gibt es Hinweise auf mögliche Wirkungen niederfrequenter Felder, denen seit geraumer Zeit intensiv mit Forschung nachgegangen wird.
  • Bisher sind die Hinweise auf mögliche gesundheitliche Wirkungen unterhalb der Grenzwerte wissenschaftlich nicht bestätigt worden.

Oberhalb der geltenden Grenzwerte können starke elektrische und magnetische Felder zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen. Ob es außer diesen nachgewiesenen Effekten weitere Auswirkungen niederfrequenter Felder auf die Gesundheit geben könnte – auch unterhalb der Grenzwerte – wird weiterhin wissenschaftlich untersucht.

Erforscht wird, ob niederfrequente Felder Wirkungen auf verschiedene biologische Endpunkte ausüben wie bspw. auf das Immunsystem oder das Nervensystem. Auch der Frage, ob niederfrequente Magnetfelder neurodegenerative Erkrankungen auslösen oder das Krebswachstum fördern können, wird weiterhin nachgegangen. Dabei werden sowohl epidemiologische Studien an der Bevölkerung als auch tierexperimentelle Untersuchungen und Studien an Zellen durchgeführt.

Was sind epidemiologische Studien?

Epidemiologische Studien untersuchen die Verteilung von Krankheiten in einer Bevölkerung und beschäftigen sich mit den Faktoren, die diese Verteilung beeinflussen. Sie zeigen statistische Zusammenhänge, die aber nicht notwendigerweise einen ursächlichen Zusammenhang bedeuten müssen. Deshalb ist es wichtig, Ergebnisse epidemiologischer Studien durch experimentelle Studien, also Untersuchungen an menschlichen Probanden, Tieren oder Zellkulturen, zu ergänzen.

Was ist bei Untersuchungen zu beachten?

Bei der Untersuchung biologischer Wirkungen niederfrequenter Felder in tierexperimentellen Untersuchungen oder in Laboruntersuchungen an Zellen müssen zwei Punkte bedacht werden. Zum einen, ob beobachtete Effekte unabhängig validiert, also bestätigt werden konnten. Viele Ergebnisse einzelner Arbeitsgruppen, die biologische Wirkungen zeigten, konnten durch andere Arbeitsgruppen nicht bestätigt werden. Zum anderen ist die Übertragbarkeit der Ergebnisse aus Tier- oder Zelluntersuchungen auf den Menschen - und damit die gesundheitliche Relevanz der Effekte für den Menschen - oft nicht geklärt.

Mit Forschungsprogramm "Strahlenschutz beim Stromnetzausbau" offene Fragen beantworten

Im Zusammenhang mit der Energiewende werden in Deutschland Stromnetze ausgebaut. Dadurch ist eine Erhöhung der Exposition der Bevölkerung mit niederfrequenten elektrischen und magnetischen Feldern zu erwarten. Um bestehende wissenschaftliche Unsicherheiten in der Risikobewertung niederfrequenter Felder zu verringern und offene Fragen zu beantworten, führt das BfS das Forschungsprogramm "Strahlenschutz beim Stromnetzausbau" durch. In insgesamt elf Themenfeldern werden zahlreiche Forschungsvorhaben durchgeführt.

Neurodegenerative Erkrankungen bei ErwachsenenEinklappen / Ausklappen

Neurodegenerative Erkrankungen sind meist langsam fortschreitende Erkrankungen des Nervensystems mit zunehmendem Verlust von Nervenzellen, die häufig zu Demenz und/oder Bewegungsstörungen führen. Einige epidemiologische Studien deuten auf ein erhöhtes Auftreten von neurodegenerativen Erkrankungen bei starker (beruflicher) Exposition mit niederfrequenten elektrischen und magnetischen Feldern hin. Es wurde in mehreren, aber nicht in allen vorliegenden Studien ein statistisch signifikanter Zusammenhang zwischen beruflicher Exposition und Alzheimer Erkrankung sowie amyotropher Lateralsklerose (ALS, eine Art Muskelschwäche) festgestellt. Es ist aber nicht geklärt, ob es sich um einen ursächlichen Zusammenhang handelt und welche Wirkmechanismen zugrunde liegen. Das Risiko, an der Parkinson-Krankheit oder an multipler Sklerose zu erkranken, war durch berufliche Exposition mit niederfrequenten Magnetfeldern nicht erhöht.

Studien an der allgemeinen Bevölkerung, also an nicht beruflich exponierten Personen, wurden ebenfalls durchgeführt. Eine epidemiologische Studie aus der Schweiz, der sehr geringe Fallzahlen zugrunde liegen, zeigte ein erhöhtes Risiko für Alzheimer Krankheit bei Personen, die in einer Entfernung von weniger als 50 m zu einer Hochspannungsleitung wohnen. Spätere Studien aus Dänemark und Italien konnten diese Ergebnisse nicht bestätigen. Eine Analyse von fünf epidemiologischen Studien zeigt keinen Zusammenhang zwischen Hochspannungsleitungen und ALS.

Bislang keine Bestätigung der Ergebnisse epidemiologischer Studien durch Laboruntersuchungen

Ergebnisse der epidemiologischen Studien lassen sich bisher nicht durch experimentelle Laboruntersuchungen bestätigen. Auch ist bislang kein biologischer Wirkmechanismus bekannt, der die Studienergebnisse erklären beziehungsweise wissenschaftlich untermauern könnte. Mögliche Zusammenhänge zwischen niederfrequenten Feldern und Erkrankungen des Nervensystems werden jedoch weiter wissenschaftlich untersucht.

Um den möglichen Zusammenhang zwischen niederfrequenten Feldern und neurodegenerativen Erkrankungen zu klären, hat das BfS eine experimentelle Studie an genetisch veränderten Mausmodellen zu Alzheimer Demenz und der amyotrophen Lateralsklerose gefördert. Die Tiere wurden lebenslang einem niederfrequenten Magnetfeld ausgesetzt. In Gewebeuntersuchungen und Verhaltenstests wurde kein negativer Einfluss der Felder auf den Verlauf der genannten Krankheiten bei diesen Mäusen gefunden.

Weitere Forschung zum Zusammenhang zwischen niederfrequenten Magnetfeldern und neurodegenerativen Erkrankungen wird im Rahmen des Forschungsprogramms "Strahlenschutz beim Stromnetzausbau" durchgeführt.

Krebserkrankungen bei ErwachsenenEinklappen / Ausklappen

Seit dem Ende der siebziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts wird ein möglicher Zusammenhang zwischen niederfrequenten Feldern geringer Intensität und Krebserkrankungen auch in epidemiologischen Studien untersucht. Bei Erwachsenen ergab sich kein Nachweis dafür, dass bei lang andauernder Exposition gegenüber niederfrequenten Feldern ein erhöhtes Risiko existiert, an Krebs zu erkranken.

Leukämie im KindesalterEinklappen / Ausklappen

Anders stellt sich die Situation in Bezug auf die Leukämieerkrankung bei Kindern dar. In einigen epidemiologischen Studien wurde bei Kindern, die über längere Zeit Magnetfeldern ausgesetzt waren, die deutlich unter dem Grenzwert lagen, konsistent ein geringfügig aber signifikant erhöhtes Risiko gefunden, an Leukämie zu erkranken. Die meisten dieser Studien untersuchten die häuslichen Gesamt-Magnetfeldbelastungen. Hochspannungsleitungen in Wohnungsnähe können dazu einen Teil beitragen. In den meisten Wohnungen in Deutschland ist der von Hochspannungsleitungen verursachte Anteil allerdings vergleichsweise gering. Den größeren Beitrag leisten üblicherweise Hausinstallationen und Elektrogeräte.

Die Magnetfeldbelastung, ab der ein erhöhtes Leukämie-Risiko beobachtet wurde, liegt über den Tag gemittelt bei etwa 0,3 bis 0,4 Mikrotesla (µT). Solche Werte kommen in deutschen Haushalten selten vor. In einer vom BfS geförderten Studie wurden mediane Magnetfeldbelastungen ≥ 0,2 µT nur in 1,4 % der untersuchten Kinderzimmer gemessen. Nur in knapp einem Drittel davon war die erhöhte Belastung auf Hochspannungsfreileitungen zurückzuführen.

Magnetfeldbelastung in Kinderzimmern Magnetfeldbelastung in KinderzimmernMagnetfeldbelastung in Kinderzimmern in Deutschland Quelle: Bundesamt für Strahlenschutz

Leukämie im Kindesalter ist eine seltene Erkrankung

Leukämie bei Kindern ist eine vergleichsweise seltene Erkrankung. Pro Jahr erkranken von 100.000 Kindern unter 15 Jahren etwa 5 an Leukämie, das heißt es gibt ca. 600 Neuerkrankungen pro Jahr in Deutschland. Da auch nur wenige Kinder einer Magnetfeldbelastung von über 0,3 Mikrotesla ausgesetzt sind, beruhen die epidemiologischen Studien auf relativ geringen Fallzahlen. Umso wichtiger ist es, die Ergebnisse der epidemiologischen Studien durch experimentelle Laborstudien zu ergänzen.

Eine vom BfS geförderte Studie stellte fest, dass in Deutschland etwa ein Prozent der Leukämiefälle bei Kindern durch eine erhöhte Exposition gegenüber niederfrequenten Magnetfeldern zu erklären wären, wenn hier wirklich ein ursächlicher Zusammenhang bestünde (siehe Abschlussbericht der Studie).

Bereits 2002 wurden niederfrequente Felder von der mit der Weltgesundheitsorganisation (WHO) assoziierten International Agency for Research on Cancer (IARC) als Klasse 2B "möglicherweise kanzerogen" eingestuft. Ausschlaggebend hierfür waren die genannten epidemiologischen Beobachtungen einer statistischen Assoziation von kindlicher Leukämie und einer zeitlich gemittelten Magnetfeldexposition der Kinder im Bereich von mehr als 0,3 - 0,4 µT. Das mögliche Risiko für Kinder aufgrund niederfrequenter Magnetfelder muss daher sehr ernst genommen werden und gibt Anlass zu weiterführenden Forschungsaktivitäten.

Ursache-Wirkungs-Beziehung

Die Hinweise aus den epidemiologischen Studien reichen nicht aus, um als Nachweis einer Ursache-Wirkungs-Beziehung bewertet zu werden. Ein biologischer Wirkungsmechanismus, der die Entstehung von Leukämie oder die Förderung des Wachstums von Leukämie-Zellen durch niederfrequente Magnetfelder erklären würde, konnte bisher ebenfalls nicht gefunden werden. Auch tierexperimentelle Studien konnten die Hinweise aus epidemiologischen Studien bisher nicht unterstützen.

Die Frage, ob Magnetfelder tatsächlich an der Entstehung von Leukämien im Kindesalter beteiligt sind, ist daher weiterhin Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen. Generell ist über die Ursachen dieser Erkrankung noch zu wenig bekannt. Es wird derzeit von einer Kombination verschiedener genetischer und umweltbedingter Faktoren ausgegangen, die zur Entstehung der Krankheit führen. Neben den niederfrequenten Magnetfeldern werden verschiedene weitere umweltbedingte Risikofaktoren (z.B. Luftverschmutzung oder Pestizidbelastung) aber auch genetische Risikofaktoren im Zusammenhang mit Leukämie im Kindesalter diskutiert. Auch hier gilt es, durch gezielte Forschung die Ursachen weiter aufzuklären.

Erforschung der Ursachen für Leukämie im Kindesalter

Die vom BfS geförderte KiKK-Studie ergab einen weiteren strahlenschutzrelevanten Befund, der sich mit dem derzeitigen wissenschaftlichen Kenntnisstand über Strahlenwirkungen ebenfalls nicht erklären lässt - nämlich einen Zusammenhang zwischen der Nähe des Wohnortes zu einem Kernkraftwerk und dem Risiko für Leukämie im Kindesalter. Daher muss verstärkt nach den Ursachen für die Leukämie-Erkrankung bei Kindern gesucht werden, um so dem Zusammenwirken von genetischen und Umweltfaktoren bei deren Entstehung auf die Spur zu kommen. Das BfS setzt sich für ein umfangreiches Forschungsprogramm ein, das diese Zusammenhänge aufklären soll. Hierzu hat das BfS in Zusammenarbeit mit internationalen Experten eine Forschungsagenda erstellt und fünf Pilotstudien durchgeführt. Die Ergebnisse der Pilotstudien wurden im Online-Repositorium DORIS des BfS veröffentlicht. Sie legen nahe, dass die neuen, interdisziplinären Forschungsansätze weiter zu verfolgen sind. Ausführlichere Informationen zur Ursachenforschung bei Leukämie im Kindesalter und den durchgeführten Pilotprojekten finden sie hier.

Um den wissenschaftlichen Fortschritt kontinuierlich zu verfolgen, organisiert das BfS in regelmäßigen Abständen Workshops auf internationaler Ebene. Vom 20. bis 23. November 2019 fand der nunmehr 6. Internationale Workshop zur Ursachenforschung von Leukämie im Kindesalter statt. Eine Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse des Workshops wurde in der Fachzeitschrift Frontiers in Public Health veröffentlicht.

Auf der Basis der Ergebnisse der Pilotstudien und der Workshops wird weitere Forschung zu Leukämie im Kindesalter im Rahmen des Forschungsprogramms "Strahlenschutz beim Stromnetzausbau" durchgeführt.

ElektrosensibilitätEinklappen / Ausklappen

Etwa ein Prozent der bundesdeutschen Bevölkerung bezeichnen sich selbst als elektrosensibel, das heißt, sie führen unterschiedliche Beschwerden, wie zum Beispiel Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Müdigkeit, Konzentrationsstörungen auf das Vorhandensein elektromagnetischer Felder in ihrer Umwelt zurück. Lange Zeit bezogen sich die Beschwerden vor allem auf die niederfrequenten elektrischen und magnetischen Felder. Seit dem raschen Ausbau des Mobilfunks werden aber zunehmend auch hochfrequente Felder als Verursacher genannt.

In mehreren wissenschaftlichen Studien (z. B. im Rahmen des Deutschen Mobilfunk Forschungsprogramms) wurde und wird das Phänomen "Elektrosensibilität" untersucht. Ziel ist vor allem, die Beschwerden zu objektivieren und die von Betroffenen vermuteten ursächlichen Zusammenhänge zwischen elektromagnetischen Feldern und den gesundheitlichen Beeinträchtigungen aufzuklären. Bisher ist es allerdings nicht gelungen, diese von Betroffenen vermuteten Zusammenhänge wissenschaftlich fundiert nachzuweisen. So zeigte sich im Rahmen eines vom BfS betreuten Forschungsvorhabens, dass elektrosensible Personen schlechter als Kontrollpersonen in der Lage sind, echte magnetische Impulse von Scheinimpulsen zu unterscheiden. Demgegenüber kann das Wissen um das Vorhandensein von Feldern in Kombination mit Besorgnis über mögliche gesundheitliche Auswirkungen dieser Felder Beschwerden verursachen. Dieser Wirkmechanismus wird Nocebo-Effekt genannt – ein Gegenstück zum Placebo-Effekt. Vermutlich ist er an der Entstehung und vor allem an der Aufrechterhaltung von Elektrosensibilität beteiligt.

Ursächlicher Zusammenhang zwischen elektromagnetischen Feldern und den Beschwerden elektrosensibler Personen mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen

Als Fazit der zahlreichen bisher durchgeführten Studien ergibt sich, dass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen elektromagnetischen Feldern und den Beschwerden elektrosensibler Personen mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann. Diese Einschätzung wird auch von der WHO geteilt. In ihrem Hintergrundpapier vom Dezember 2005 stellt sie fest, dass es keine wissenschaftliche Basis gibt, um die Symptome der Elektrosensiblen mit der Einwirkung von elektromagnetischen Feldern in Verbindung zu bringen. Diese Aussage wurde 2015 in der Risikobewertung elektromagnetischer Felder durch das "Scientific Committee on Emerging and Newly Identified Health Risks" (SCENIHR) bestätigt. Aus diesem Grund führt das BfS keine weiteren Forschungsvorhaben zum Thema Elektrosensibilität durch.

Stand: 05.12.2023

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